Veranstaltung: | Tagung BAG Frieden & Internationales | 24. Februar 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 6 Anträge und Diskussion |
Antragsteller*in: | David Baltzer |
Status: | Abgelehnt |
Eingereicht: | 03.02.2024, 20:43 |
A3: Frieden und Freiheit für Israel und Palästina
Antragstext
Der nachfolgende Text bezieht sich u.a. maßgeblich auf den BDK-Beschluss von
Karlsruhe und unterstützt dessen Forderungen.
Das Recht Israels zur Selbstverteidigung
Der Anschlag des 7. Oktobers war der blutigste Angriff auf Jüdinnen und Juden
seit Gründung des Staates Israel. Solidarität mit Israel, dem Land, das
gegründet wurde, um jüdischen Menschen Schutz zu bieten, ist die Grundhaltung
und seine Sicherheit Staatsziel der Bundesrepublik Deutschland und ein
Eckpfeiler seiner Außenpolitik. Die dauerhafte Verantwortung des deutschen
Staates für die ungeheuren Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands
begründet diese Entscheidung.
Wir verurteilen den fortgesetzten Missbrauch der palästinensischen Bevölkerung
als menschliche Schutzschilde durch die Hamas. Auch fordern wir die Hamas auf
den Beschuss Israels sofort und bedingungslos einzustellen.
Wir verurteilen auch die Angriffe der Hisbollah auf Israel, der Huthis auf
Schiffe im Roten Meer und deren Unterstützung durch das israelfeindliche
iranische Regime. Wir fordern mit Nachdruck eine Einstufung der iranischen
Revolutionsgarden als Terrororganisation durch die EU.
Israel hat wie jeder Staat das „naturgegebene Recht zur individuellen oder
kollektiven Selbstverteidigung“ (Charta der Vereinten Nationen, Artikel 51).
Dieses Recht kann und soll Israel wahrnehmen, um alle Menschen auf seinem
Staatsgebiet vor Terror zu schützen. Der Gegenangriff auf Gaza nach dem 7.
Oktober ist prinzipiell gerechtfertigt und das Kriegsziel, der Hamas für
möglichst lange Zeit die Möglichkeit zu solchen mörderischen Angriffen zu
nehmen, ist legitim.
Israels Verpflichtungen im Krieg
Israel muss sich dabei zugleich an das Völkerrecht im Kriege halten. Die
Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Vermeidung ziviler Opfer und der Führung
eines Krieges mit der Aussicht auf künftigen Frieden müssen dabei leitend sein.
Der Schutz ganz besonders von Kindern ist zentrale Verpflichtung. Die
Sicherheitsrats-Resolution 2712 vom 15. 11.23 fordert das ein. Israel soll sie
unverzüglich, konsequent und dauerhaft umsetzen, genauso die Entscheidung des
Internationalen Gerichtshofs vom 26.1.24 und mindestens für eine dichte Folge
vollständiger, längerer Feuerpausen sorgen. Es müssen endlich genügend sauberes
Wasser, Nahrung, Medikamente, Strom und Treibstoff und alle übrigen
lebensnotwendigen Hilfsgüter alle Notleidenden in Gaza erreichen. Gaza benötigt
eine funktionsfähige medizinische Infrastruktur, die größer sein müsste, als vor
dem 7.10.23, da die Behandlung der Kriegsfolgen mitzudenken ist. Es müssen also
nicht nur die bisher zerstörten Krankenhäuser wiederaufgebaut und geschützt
werden, sondern zusätzliche errichtet werden. Alle medizinischen Einrichtungen,
die Ver- und Entsorgungsinfrastruktur, Bildungseinrichtungen und Einrichtungen
der UN(Vereinten Nationen) und helfender NROs (Nichtregierungsorganisationen)
müssen uneingeschränkt vor weiterer Zerstörung geschützt, repariert und
funktionsfähig erhalten werden.
Die Strategie des israelischen Militärs hat inzwischen große Teile der
Bevölkerung Gazas zu Flüchtlingen im eigenen Land gemacht. Zu fortgesetzten
Verunsicherungen führen die ständig wechselnden Schauplätze der Militäreinsätze.
Bis zu 70 % der Häuser sind inzwischen zerstört.
Hilfe für die Menschen in Gaza ist unverzichtbar!
Dieser Krieg ist für Gaza eine humanitäre Katastrophe, die palästinensische
Zivilbevölkerung leidet sehr. Zehntausende Zivilist*innen sind an den Folgen des
israelischen Militäreinsatzes gestorben. Unter den Opfern sind auch
Medienschaffende (bisher ca 80 Tote). Ein Großteil der Bevölkerung ist
obdachlos. Sie besitzen nur noch das, was sie tragen konnten. Ihre Zahl steigt
Tag für Tag, Stunde für Stunde. Hunderttausende haben Familienmitglieder
verloren, sind auf der Flucht und befinden sich in Lebensgefahr.
Dieses Leiden macht uns tief betroffen. Wir trauern um alle Unschuldigen. Wir
danken allen, die unter schwierigsten Umständen und ihr eigenes Leben riskierend
Menschen in Not mit dem Nötigsten versorgen.
Kriegsziel: Völlige Vernichtung der Hamas
Die ersten 100 Tage Krieg haben gezeigt, dass Netanjahu das Kriegsziel, "die
Hamas vollständig zu zerstören" nicht erreichen kann. Es droht ein Krieg auf
unabsehbare Zeit. Selbst wenn an seinem Ende Tod oder Gefangennahme aller
Kämpfer der Hamas und die Zerstörung sämtlicher militärischer Anlagen der Hamas
stände: die Hamas-Führung wäre im sicheren Katar, ihr Renommee als
Widerstandskämpfer bliebe bestehen. Fortgesetzte Gewalt würde es der Hamas
leicht machen weitere Kämpfer zu werben, besonders unter den Opfern des jetzige
Krieges.
Dies würde nicht nur das Leben der Geiseln gefährden, sondern verringert die
ohnehin geringen Aussichten auf einen lang anhaltenden Frieden. Eine weitere
Zerstörung der sozialen, politischen, kulturellen und ökonomischen Infrastruktur
des Gazastreifens würde dieses Gebiet auf Dauer unbewohnbar und unregierbar
machen. Die Flutung der Tunnel unter Gaza mit Meerwasser verunreinigen das
Grundwasser und bedrohen damit die Wiederbesiedelung. Eine erneute militärische
Besatzung des Gazastreifens oder eine dauerhafte militärische Kontrolle durch
das israelische Militär aber, wie sie der israelische Ministerpräsident
Netanjahu andeutet, würde nicht zu dauerhafter Sicherheit und Frieden, sondern
zu anhaltenden Aufständen führen.
Wege aus der Gewaltspirale
Stattdessen braucht es anhaltende Waffenruhen oder einen Waffenstillstand, die
von allen Konfliktakteuren einzuhalten sind, und politische Perspektiven, die
auf eine Beendigung des Konflikts zielen. Angesichts des gegenwärtig fehlenden
politischen Willens auf israelischer und palästinensischer Seite für eine
dauerhafte Friedenslösung ist jedoch eine aktive Rolle internationaler Akteure
notwendig, um einen internationalen Prozess mit klarer Zielsetzung unter
regionaler Beteiligung zu organisieren, an dessen Ende die Gründung eines
palästinensischen Staates neben Israel stehen müsste. Dieser Prozess muss aus
den Fehlern des Oslo-Prozesses lernen: die Zweistaatenregelung ist/wäre das
Ziel. Eine politische Regelung müsste auch das Westjordanland und Ostjerusalem
miteinschließen sowie den Wiederaufbau des Gazastreifens umfassen.
Notwendige Reaktionen
Wir lehnen alle völkerrechtswidrigen Maßnahmen ab, besonders den immer weiter
fortschreitenden Siedlungsbau und jeden Versuch, besetzte Gebiete zu
annektieren. Wir beklagen die Verletzung des humanitären Völkerrechts, die
eskalierende Gewalt, zunehmende Drohungen, Diskriminierungen und Entrechtungen.
Wir wollen weiterhin mit allen Kräften in Israel und Palästina solidarisch
zusammenarbeiten, die sich gewaltfrei für die Einhaltung der Menschenrechte,
gegen eine Spaltung der israelischen Gesellschaft, gegen die anhaltende
Unterdrückung in der palästinensischen Gesellschaft, gegen eine Fortdauer der
Besatzung und für einen gerechten und dauerhaften Frieden einsetzen.
Als mit Israel solidarische, für die Politik der Bundesrepublik Deutschland mit
verantwortliche Menschen sorgen wir uns um Israel, um seinen inneren
Zusammenhalt und um seine Position in der Weltgemeinschaft. Schwindender
Rückhalt in westlichen Ländern, wachsende Distanz und Ablehnung in Ländern des
Globalen Südens gefährden Israels Ansehen und Handlungsmöglichkeiten.
Bündnisgrüne Solidarität mit Israel bedeutet Solidarität mit den Menschen in
Israel und den Schutz eines lebendigen demokratischen Israels. Der drohende
Abbau demokratischer Rechte und Strukturen sowie rassistischen Bestrebungen in
Teilen der Regierung müssen uns veranlassen unsere uneingeschränkte
Unterstützung der israelischen Regierung zu hinterfragen. Wir haben in den
vergangenen Jahren zu wenig getan, um eine produktive Lösung des Konfliktes
zwischen Israel und den Palästinensern voranzutreiben. Finanz- und Militärhilfen
für Israel müssen deshalb stetig überprüft werden. Wir begrüßen die bisherige
Haltung der Bundesregierung und billigen ausdrücklich auch die deutsche
Enthaltung zur Resolution A/ES-10/L.25 „Protection of civilians and upholding
legal and humanitarian obligations“ der Generalversammlung am 27. Oktober 23.
Frieden durch Einsatz der Vereinten Nationen
Wir warnen vor der Illusion, Frieden lasse sich beiden Konfliktparteien
diktieren. Nur die aktive Zustimmung beider Seiten macht einen Friedensschluss
dauerhaft.
Militärische Maßnahmen sind auf Dauer immer kontraproduktiv. Für den Fall, dass
die israelische Regierung sich weiterhin weigert, das kriegsvölkerrechtlich
Gebotene zu tun, das Leben und die Gesundheit der nicht kämpfenden Gaza-
Bewohner*innen wirksam zu schützen, muss von aussen reagiert werden. Es ist dann
zu prüfen, den Abzug der israelischen Truppen aus Gaza zu fordern und die VN
nach Kapitel VII aufzufordern Blauhelmtruppen mit robustem Mandat zu entsenden,
mit dem Auftrag, die Hamas und den Islamischen Dschihad im Gazastreifen
vollständig zu entwaffnen und ihre Tunnelbauten und sonstigen militärischen
Anlagen zu zerstören. Weder eine direkte Herrschaft Israels noch die
Machtübernahme der Palästinensischen Autonomiebehörde, die in ihrem
gegenwärtigen Zustand dafür weder qualifiziert noch legitimiert ist, würde den
Menschen in Gaza helfen. Ob ein Verbund arabischer Nachbarstaaten, die alle mehr
oder weniger autoritär regiert werden, hilfreich wäre, ist zum jetzigen
Zeitpunkt unklar.
Was wirklich Frieden und Freiheit schaffen kann:
1. Verwaltung durch die UN
Die Nachkriegs-Verwaltung des Gaza-Streifens soll direkt durch die Vereinten
Nationen erfolgen. Die VN allein haben die Autorität, im Namen der
Weltgemeinschaft das Leben im Gazastreifen solange zu regeln, bis die
Palästinenser*innen dies als freie Bürger*innen eines souveränen Staates selbst
tun können. VN-Friedenstruppen mit robustem Mandat sowie von den Vereinten
Nationen entsandte Richter*innen, Staatsanwält*innen, Polizist*innen sowie
Zivilverwaltende sollen die friedliche Entwicklung des Gazastreifens hin zu
einer freiheitlichen Demokratie sichern und fördern. Innerhalb des Gazastreifens
sollen sie die alleinige Kontrolle haben, dies auch über den Flug- und Seehafen,
Luftraum und Hoheitsgewässer.
Die Friedenstruppen müssen von Staaten und Staatengruppen gestellt werden, deren
politisches Gewicht potentiellen Angreifer*innen hoch genug ist, um vor etwaigen
Angriffen abzuschrecken.
2. Ausgleich zwischen Israel und Palästina
Jede weitsichtige und konsequente pro-israelische Politik ist gleichzeitig pro-
palästinensisch - und umgekehrt. Beides steht einander nicht entgegen, sondern
bedingt einander.
Wir wollen menschenwürdige Lebensverhältnisse für alle Menschen im Nahen Osten.
Wir sehen die Probleme, die die Anzahl der als rückkehrberechtigt geltenden
Flüchtlinge seit der Nakba aufwirft. Es muss auch über eine Auflösung der großen
Flüchtlingslager und eine Integration der dort Lebenden in die Nachbarländer
verhandelt werden.
Der Staat Israel und alle seine Bürger*innen sollen in Freiheit und Sicherheit
leben, seine Existenz und seine Grenzen sollen weltweit anerkannt werden. Wir
verstehen die Sorge Israels, dass das Land als Ort jüdischer Identität gefährdet
sein könnte, wenn der palästinensische Bevölkerungsanteil zunehmend wächst. Ein
souveräner, lebensfähiger und demokratischer Staat Palästina soll auf der
Grundlage der Grenzen von 1967 entstehen und in die Vereinten Nationen
aufgenommen werden. Wir sind aber auch offen für jede andere Friedenslösung, die
die israelische und die palästinensische Seite nach freiem Willen miteinander
vereinbaren, wie zum Beispiel das Zusammenleben in einer Konföderation. In jedem
Fall sollen sich alle Israelis und alle Palästinenser*innen als
gleichberechtigte Bürger*innen einer oder mehrerer freiheitlicher Demokratien
mit gesicherter Rechtsstaatlichkeit wiederfinden.
3. Die Rolle Deutschlands und der EU
Deutschland ist mehr als jeder andere Staat verpflichtet, Frieden zwischen
Israel und Palästina zu fördern. Die deutsche Politik hat allerdings in den
letzten Jahren zu wenig ihren Einfluss geltend gemacht um die Zweistaatenlösung
substantiell voranzubringen.
Die EU und die anderen Staaten der westlichen Wertegemeinschaft sind gefordert,
diese notwendige und unumgängliche mit einem großzügig angelegten
Wirtschaftsförderungsprogramm für die gesamte Region, also auch für die
Nachbarstaaten, unterstützen. Gleiches erhoffen wir uns von den arabischen
Staaten. Jeder hier investierte Euro wird sich durch den dadurch gewährleisteten
Frieden mehrfach rechnen und als Gewinn in die Förderländer zurückfließen.
Begründung
Antragsbegründung
Dieser Antrag baut auf unseren Grundsatzbeschlüssen "Grundlinien Grüner Nahostpolitik – Für einen dauerhaften und gerechten Frieden zwischen Israel und Palästina" (BDK Freiburg, 19.-21. 11. 2010, https://wolke.netzbegruenung.de/s/5JacEQFKG2k4rrA?dir=undefined&path=%2F2010-11-Freiburg&openfile=28918805 ) und "Jetzt einen Staat Palästina auf den Weg bringen – Palästina in den VN unterstützen" (BDK Kiel 25.-27. 11. 2011, https://wolke.netzbegruenung.de/s/5JacEQFKG2k4rrA?dir=undefined&path=%2F2011-11-Kiel&openfile=28918844 ) , dem Bundesvorstandsbeschluss vom 1./2. 9. 2015 "Zwischen Umbruch in der arabischen Welt und Rückschritten im palästinensisch-israelischen Friedensprozess – Wie weiter in der deutschen Nahostpolitik?" ( https://cms.gruene.de/uploads/documents/20150909_Beschluss_BuVo_Nahost_FINAL.pdf- ),
unseren Zusagen in den Programmen von 2020 ( https://cms.gruene.de/uploads/documents/20200125_Grundsatzprogramm.pdf , S.54), 2021 ( https://cms.gruene.de/uploads/documents/Wahlprogramm_DIE_GRUENEN_Bundestagswahl_-2021.pdf , S. 232) und 2024 ( https://cms.gruene.de/uploads/documents/EP-FR-01_C__Was_Frieden_schützt.pdf ,S.22f.) und dem Beschluss „Solidarität mit Israel: Für Frieden, gegen Hass und Terror (BDK Karlsruhe, 23.-26.11. 2023, https://cms.gruene.de/uploads/documents/Dringlichkeit-Solidaritaet-mit-Israel-Beschluss-BDK-11-2023.pdf ) auf und entfaltet diese Positionen für die nun gegebene Lage.
Die Bundesregierung soll sich zusammen mit europäischen und internationalen Partnern für eine dauerhafte Waffenruhe aller Seiten einsetzen, um den oben skizzierten politischen Prozess zu ermöglichen. Die Befreiung der Geiseln bleibt dringliche Aufgabe deutscher Politik. Zugleich rufen wir die Bundesregierung dazu auf, die Einhaltung internationalen Rechts einzufordern und allen Forderungen nach einer Vertreibung oder Wiederbesatzung eine klare Absage zu erteilen.
Antrag gestellt von KW Koch und David Baltzer
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