Antrag: | C – Was Frieden schützt |
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Antragsteller*in: | Ali Khademolhosseini (BV Bundesverband) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 23.09.2023, 12:28 |
Ä2 zu EP-FR-01: C – Was Frieden schützt
Antragstext
Von Zeile 532 bis 533 einfügen:
und Tod
trifft.
Die EU und die Dual-Use-Herausforderung
Die rasante Entwicklung der technologischen Landschaft stellt die Europäische Union vor nie dagewesene Herausforderungen. Der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütern und strategischen Technologien kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Länder wie China, Russland und der Iran nutzen bestehende Schwachstellen in unserem Kontrollregime, um sich Zugang zu High-Tech-Produkten und Know-how zu verschaffen. Diese werden oft gegen die Interessen der EU und ihrer Verbündeten eingesetzt.Um diesem Trend entgegenzuwirken, setzen wir uns für die Einführung einer umfassenden strategischen Technologiedoktrin der EU ein. Diese sollte in enger Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten erarbeitet werden und sowohl sicherheitspolitische als auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen. Die Doktrin sollte klare Leitlinien für die Risikobewertung von Technologieexporten bieten, einschließlich möglicher militärischer Anwendungen und wirtschaftlicher Auswirkungen auf die europäische Souveränität.In einer neuen globalen Wirtschaftsordnung ist es von entscheidender Bedeutung, dass die EU eine ausgewogene Position vertritt, die sowohl unseren wirtschaftlichen als auch unseren sicherheitspolitischen Interessen Rechnung trägt. Es entspricht nicht unserem Interesse, zur militärischen Aufrüstung systemischer Rivalen wie China, Iran und Russland beizutragen oder unsere fortschrittlichen Technologien in einer Weise zu exportieren, die Menschenrechtsverletzungen ermöglichen könnte.Die EU muss daher ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den Vorteilen des Handels und der technologischen Zusammenarbeit mit diesen Ländern und den damit verbundenen Risiken erzielen. Dabei gilt es insbesondere, die Entstehung asymmetrischer Abhängigkeiten in kritischen Technologiebereichen zu verhindern. Ziel muss es sein, in Sicherheits-, Handels- und Technologiefragen nicht nur gegenüber China, sondern auch gegenüber anderen geopolitischen Akteuren wie der Iran und Russland kohärent Stellung zu beziehen. Auf diese Weise können wir gewährleisten, dass die EU-Mitgliedstaaten nicht dem Druck dieser externen Akteure ausgeliefert oder unterworfen sein müssen.Ein weiterer zentraler Baustein ist die Entwicklung eines gemeinsamen Risikorahmens für Exportkontrollen. Dieser Rahmen würde es den EU-Mitgliedstaaten ermöglichen, eine gemeinsame Risikobewertung der Ausfuhr von Technologie vorzunehmen. Ferner bildet er die Grundlage für eine bessere Harmonisierung der bestehenden Exportkontrollpolitiken zwischen den Mitgliedstaaten, um sicherzustellen, dass High-Tech-Produkte nicht ungewünschte Verwendung finden.Letztlich betonen wir die Notwendigkeit, neue wirtschaftliche Sicherheitsallianzen zu schmieden. Diese müssen sich auf strategische Technologiekontrolle und andere damit zusammenhängende Fragen konzentrieren und mit wichtigen Partnern, darunter die G7-Staaten und aufstrebende Technologiemächte wie Indien, geschlossen werden. Nur durch diese vielfältigen Ansätze kann die EU eine kohärente und effiziente Dual Use Export und Kontrolpolitik zu erreichen, die den europäischen Werten, außenpolitische Ziele und der gemeinsamen Sicherheit gerecht wird, ohne die technologische Entwicklung anderer Länder unnötig zu behindern.
Der russische Angriffskrieg auf unseren europäischen Nachbarstaat Ukraine hat
gezeigt:
Frieden und Freiheit, Sicherheit und Menschenrechte sind keine
Selbstverständlichkeit. Sie
müssen immer wieder aufs Neue verteidigt und gestärkt werden. Moskau hat das
Friedensprojekt
Europäische Union herausgefordert. Gemeinsam mit unseren ukrainischen
Freund*innen haben wir
diese Herausforderung angenommen – und halten stand.
Aber auch über die Ukraine hinaus nehmen die Spannungen weltweit zu. China tritt
immer
autoritärer auf und stellt die regelbasierte internationale Ordnung infrage.
Chinas
Konkurrenz mit den USA stellt auch unser Leben und Wirtschaften vor bedeutende
Herausforderungen. In Afrika, Asien und Südamerika fordern Staaten und
Gesellschaften
derweil zu Recht faire Mitsprache und einen gleichwertigen Platz an
Verhandlungstischen ein.
Diese Verschiebungen im globalen Machtgefüge fordern die EU heraus. Gemeinsam
mit den Folgen
der Pandemie, mit Inflation, Staatsschulden- und Klimakrise machen sie einmal
mehr deutlich:
Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um den Frieden in Europa zu schützen, um
Europa in der
Welt sicherer zu machen.
Gemeinsam sind wir handlungsfähig. Immer wieder hat Europa bewiesen, wie sehr es
in der Lage
ist, auch international für Frieden, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit zu
wirken. Es hat
bewiesen: Man kann Frieden lernen, stabilisieren und zum Wohle aller gestalten.
Das gibt
Hoffnung in schwierigen Zeiten: Eine EU, die auf der Weltbühne selbstbewusst
auftritt und
mit einer Stimme spricht, ist imstande, sich gegen Unfreiheit und Krieg zu
behaupten, unsere
Interessen und Werte zu verteidigen, Einflussnahme von außen abzuwehren, Zukunft
und Frieden
zu gestalten – und das Leben der Menschen spürbar zu verbessern. Dieses Europa
bietet
weltweit Perspektiven für politische und wirtschaftliche Entwicklung – und damit
ein
dringend benötigtes Gegenangebot zum Einfluss insbesondere Chinas und Russlands.
Das ist unsere Perspektive, das ist unser politischer Auftrag: die globale
Handlungsfähigkeit der EU zu verteidigen und zu stärken. Als viele noch von
„Wandel durch
Handel“ träumten, haben GRÜNE davor gewarnt, dass autokratische Regime wie
Russland im
Zweifelsfall gegen das Interesse ihrer eigenen Bürger*innen handeln, um ihre
imperialen
Ziele mit Gewalt durchzusetzen. Wir treten deshalb für ein souveränes und
selbstbewusstes
Europa ein, das nicht abwartet, sondern das Heft des Handelns in die Hand nimmt;
ein Europa,
das sich aus seinen Abhängigkeiten löst und global Verantwortung übernimmt. Eine
handlungsfähige EU, die auf eigenen Beinen steht, ist der beste Schutz gegen all
jene
Kräfte, die Isolation und Ausgrenzung heraufbeschwören, innerhalb und außerhalb
des
europäischen Bündnisses. Die EU kann dabei ihre Interessen vor allem dann
effektiv
durchsetzen, wenn sie zugleich ihre Werte in den Mittelpunkt stellt – der oft
behauptete
Widerspruch ist keiner.
Frieden und Freiheit erwachsen nicht aus Abschottung, sondern aus einem
wertegeleiteten und
fairen Umgang mit unseren Partnerinnen und Partnern. Das wichtigste Forum dafür
sind die
Vereinten Nationen (UN) und ihre Organisationen, die wir stärken und gerechter
gestalten
wollen. Sie sind der beste Weg zu einem Multilateralismus, in dem die Stärke des
Rechts
wirkt, nicht das Recht des Stärkeren.
Die EU muss in diesen herausfordernden Zeiten alle Möglichkeiten internationaler
Zusammenarbeit aktiv suchen und alle Kanäle der Kooperation nutzen, um den
Frieden zu
wahren, demokratische Kräfte zu stärken und Konflikten vorzubeugen. Die EU muss
aktiv um
Partnerschaften mit Ländern des Globalen Südens werben. Orientiert an den
Nachhaltigkeitszielen wollen wir globale Gerechtigkeit fördern.
Oft genug aber sitzen bei Verhandlungen vor allem Frauen nicht mit am Tisch. Das
macht es
schwerer, faire und tragfähige Lösungen zu entwickeln. Gesellschaften sind
nachweislich
friedlicher und wohlhabender, wenn alle Menschen am politischen, sozialen und
wirtschaftlichen Leben teilnehmen können. Frieden und Sicherheit sind
nachhaltiger, wenn
Frauen beteiligt sind. Deshalb setzen wir uns aktiv dafür ein, dass gerade auch
Frauen in
der Außenpolitik umfassend vertreten sind.
Das gilt umso mehr, da sich die existenziellste Herausforderung der Menschheit,
die
Klimakrise, nur global bewältigen lässt. Europa und die übrigen Industriestaaten
haben durch
ihre jahrzehntelangen Emissionen eine zweifache Verantwortung: Sie müssen im
ganz eigenen
Interesse selbst schnell klimaneutral werden und zugleich ärmere Länder auf
ihrem Weg zu
klimaneutralem Wohlstand partnerschaftlich unterstützen. Deswegen stellen wir
die
Klimadiplomatie ins Zentrum unseres Plans für eine europäische Außenpolitik und
damit die
Weichen für belastbare Partnerschaften – Partnerschaften, die auch dabei helfen
werden,
unsere Versorgung mit erneuerbaren Energien und Rohstoffen zu sichern. Dabei
muss die EU
auch weltweit gemeinsam mit der Privatwirtschaft einen entscheidenden Beitrag zu
den nötigen
Investitionen für eine klimagerechte Entwicklung leisten.
Im äußersten Fall müssen wir im Stande sein, unseren Frieden auch militärisch zu
verteidigen. Dies können wir besser, effizienter und wirkungsvoller tun, wenn
wir unsere
Sicherheitspolitik europäisch koordinieren. Dabei bleiben militärische Maßnahmen
für uns
Ultima Ratio: Wir wollen einen umfassenden Ansatz europäischer Außenpolitik, der
die
menschliche Sicherheit in den Mittelpunkt rückt – und auf Vorbeugung und zivile
Bearbeitung
von Krisen und Konflikten setzt. Wer dazu beiträgt, Frieden zu erhalten, beugt
der
Notwendigkeit vor, Frieden schaffen zu müssen – so schützt Europa. Wir denken
Sicherheit von
jedem einzelnen Menschen aus, dessen Würde und Freiheit im Zentrum unserer
Politik stehen.
Dieses Verständnis einer vorsorgenden und wertegeleiteten Sicherheitspolitik ist
Teil des
europäischen Versprechens.
Dessen Gewicht wiederum wird dort am deutlichsten, wo es Einladung ist und
Hoffnung gibt.
Das Streben vieler Ukrainer*innen danach, ihre Freiheit zu behaupten und Teil
der
europäischen Familie zu werden, mag von Wladimir Putin mit brutaler Waffengewalt
beantwortet
worden sein. Aber es lebt fort und beweist, welche Strahlkraft das europäische
Projekt über
die eigenen Grenzen hinaus entfalten kann. Wir bekennen uns zum Beginn des
ukrainischen
Beitrittsprozesses – und verstehen ihn zugleich als Anerkennung der
unermesslichen Leistung,
die das Land tagtäglich für unser aller Sicherheit und die europäischen Werte
erbringt.
Das Europa, das wir gestalten wollen, tut genau das. Es schützt und verteidigt
die eigenen
Werte. Es behauptet sich – und reicht zugleich anderen selbstbewusst die Hand.
An diesem
Europa wollen wir arbeiten. Dieses Europa wollen wir sein.
1. Eine europäische Außenpolitik
Gemeinsam außenpolitisch handeln
Wir benötigen eine starke und souveräne EU, die als weltpolitische Akteurin
agieren kann.
Bislang braucht es in der EU-Außenpolitik jedoch immer noch die Zustimmung aller
27
Mitgliedstaaten. Wir setzen uns für eine Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen
im Rat ein,
die dabei die Interessen der großen und der kleineren Mitgliedstaaten
berücksichtigt. Um das
zu erreichen, wollen wir die bestehenden Möglichkeiten innerhalb der
europäischen Verträge
nutzen und setzen uns gleichzeitig für Vertragsänderungen ein.
Unsere Werte und Interessen brauchen eine gemeinsame Stimme der EU – wir wollen
die
bestehende Rolle des Hohen Vertreters bzw. der Hohen Vertreterin für die Außen-
und
Sicherheitspolitik zu einer europäischen Außenministerin bzw. einem europäischen
Außenminister machen. Auch den Europäischen Auswärtigen Dienst wollen wir
stärken. Um eine
gemeinsame europäische Außenpolitik umzusetzen, braucht es einen echten
europäischen
diplomatischen Dienst. Deshalb wollen wir die Europäische Diplomatische Akademie
fest
verankern, um Kompetenzen im Bereich EU-Außenpolitik unter Diplomat*innen aus
den
Mitgliedstaaten auszubauen. Konsularische Dienste der Mitgliedsländer wie
Visafragen,
Rechtshilfe oder Anträge wollen wir vermehrt in den europäischen Botschaften
bündeln.
Das Klima global schützen
Die Klimakrise ist die zentrale globale Herausforderung unserer Zeit. Sie
bedroht die
Lebensgrundlagen in vielen Teilen der Welt und treibt Millionen Menschen in die
Flucht. Sie
verschärft Konflikte um knapper werdende Ressourcen wie Nahrungsmittel und
Wasser.
Kein Staat kann die Klimakrise alleine stoppen. Unser Ziel ist eine starke
europäische
Klimaaußenpolitik, die im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen steht. Wir
stehen für eine
EU, die weltweit Partnerschaften für die Minderung des CO2-Ausstoßes knüpft,
Partnerländer
beim klimaneutralen Auf- und Umbau ihrer Wirtschaftssysteme und
Energieversorgung sowie bei
der Anpassung an die unvermeidbaren Folgen der Klimakrise unterstützt. Als eine
der größten
Emittentinnen von Treibhausgasen weltweit muss die EU entsprechend der
Vereinbarung im
Pariser Klimaschutzabkommen dafür eintreten, dass rasch jährlich 100 Milliarden
US-Dollar
aus öffentlichen und privaten Quellen für Klimaschutz und Anpassung
zielgerichtet und im
Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der UN in Ländern des Globalen Südens
eingesetzt
werden. Ein Vorbild dafür sind sogenannte Just Energy Transition Partnerships,
die die
Bundesregierung gemeinsam mit weiteren internationalen Partnern bereits mit
mehreren Ländern
abgeschlossen hat. Sie machen Angebote für eine umfassende und sozial gerechte
Energiewende.
Wir unterstützen außerdem den internationalen Prozess zur Ausgestaltung eines
Loss-and-
Damage-Fonds, der die von den Auswirkungen der Klimakrise geschädigten
Gemeinschaften
finanziell angemessen unterstützen soll.
Unser Ziel ist es, die globale Energiewende zu beschleunigen und den Ausstieg
aus fossilen
Energien voranzutreiben. Wir setzen uns deshalb für ein verbindliches globales
Ziel für den
Ausbau erneuerbarer Energien und eine ambitionierte Klimafinanzierung ein. Dafür
braucht es
zusätzliche Mittel zur ODA-Quote. Die Europäische Investitionsbank (EIB) und die
Europäische
Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) müssen sich noch stärker
partnerschaftlich an
der Modernisierung der Wirtschaft unserer Partnerländern beteiligen.
Wir wollen den Team-Europe-Ansatz – die engere Zusammenarbeit zwischen
Kommission,
Mitgliedstaaten und EU-Finanzinstitutionen – stärken und ausbauen, um
internationale
Allianzen zu schmieden. Der im Rahmen der G7 angeregte Klimaclub kann dabei eine
zentrale
Rolle einnehmen, um internationale Strukturen im Rahmen des Pariser Abkommens zu
unterstützen und ambitionierte Ziele für Klimaschutz sowie nachhaltiges Wachstum
voranzutreiben. Mit der geplanten Strategie für Klimaaußenpolitik kann die
Bundesregierung
Deutschland zum Vorreiter machen. Das möchten wir zum Vorbild für Europa nehmen.
Wie die Klimakrise stellt auch der globale Arten- und Biodiversitätsverlust eine
enorme
Bedrohung dar. Deshalb wollen wir die Umsetzung des Biodiversitätsabkommens von
Kunming-
Montreal in Europa und weltweit fördern. Wir steigern das europäische Engagement
mit den am
stärksten von Biodiversitätsverlust betroffenen Ländern und unterstützen den
Schutz von
Flächen unter Wahrung der Rechte indigener Völker. Unser Ziel ist es, die
biologische
Vielfalt Europas und der Welt auf den Weg der Erholung zu bringen.
Global Gateway zum Erfolg bringen
In vielen Teilen der Welt, vor allem im Globalen Süden, gibt es einen gewaltigen
Investitionsbedarf, um Wachstum, Mobilität und Wohlstand unter der Bedingung der
Klimaneutralität zu erreichen. Auf diesen Bedarf antwortet bislang vor allem das
chinesische
Programm einer „neuen Seidenstraße“. Die europäische Global-Gateway-Strategie
wollen wir zu
einem geostrategischen Erfolgsprojekt machen, das Partnerländern eine
Alternative zur
chinesischen Politik anbietet, die durch starke finanzielle Abhängigkeiten
etabliert wird.
Durch gezielte Investitionen in die sozialökologische Modernisierung in unseren
Partnerländern wollen wir damit klimaneutralen Wohlstand schaffen, den Schutz
der
Menschenrechte stärken, Lieferketten diversifizieren und die Produktion von
grüner Energie
in unserer Nachbarschaft fördern.
Global Gateway kann aber nur zum Erfolg werden, wenn die EU das Programm mit
substanziellen
Mitteln ausstattet, die in Verbindung mit dem gehebelten privaten Kapital die
nötigen
Ressourcen bilden können. Um die Sichtbarkeit und Verbindlichkeit des Programms
weltweit und
innerhalb der EU zu verbessern, wollen wir eine Sondergesandte bzw. einen
Sondergesandten
dafür einrichten. Die EU muss für Global Gateway klare strategische Prioritäten
setzen und
alle Projekte auf der Basis von gleichberechtigter Zusammenarbeit mit den
Partnerländern
nach Beratung mit der lokalen Zivilgesellschaft erarbeiten. Maßstab sind für uns
hierbei die
Menschenrechte, die Agenda 2030 der UN sowie die Einhaltung der Ziele des
Pariser
Klimaabkommens. Zudem muss die EU-Kommission die Kohärenz und eine größere
Transparenz bei
der Auswahl der strukturpolitischen Projekte sowie bei ihrer Durchführung und
Evaluierung
sicherstellen.
Internationale Organisationen stärken
Die UN bleiben mit ihren Organisationen die Grundlage des Multilateralismus. Im
Fall des
russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat die internationale
Staatengemeinschaft in
der UN-Vollversammlung bewiesen, dass sie sehr wohl handlungsfähig ist, als eine
überragende
Mehrheit diesen brutalen Angriffskrieg mehrfach und deutlich verurteilte. Die EU
und ihre
Mitgliedstaaten leisten mehr als die Hälfte aller Beiträge zu multilateralen
Organisationen
wie dem UN-System. In den anstehenden Reformdiskussionen wollen wir durch ein
koordiniertes
Vorgehen der EU die UN und ihre Organisationen fit für die Zukunft machen. Dazu
gehört eine
Reform des Sicherheitsrats, in dem wir eine gerechtere Repräsentanz der
Weltregionen
gewährleisten wollen. Langfristig zielen wir darauf ab, das Vetorecht
abzuschaffen.
Bei der Weltbank, die mit der Evolution Roadmap ihren Reformprozess bereits
begonnen hat,
muss sich die EU für eine umfassende Erneuerung und Demokratisierung einsetzen,
um
angemessen auf die heutigen globalen und entwicklungspolitischen
Herausforderungen reagieren
zu können. UN-Sonderorganisationen wie das Flüchtlingshilfswerk UNHCR oder die
Gesundheitsorganisation WHO leisten vitale Hilfe, um Menschen in Not zu helfen.
Die EU muss
diese Organisationen deshalb weiter unterstützen und stärken.
Darüber hinaus setzen wir uns für eine aktive Personalpolitik der EU bei der
Besetzung von
Posten in internationalen Organisationen etwa bei der International
Standardization
Organisation (ISO) oder Weltbankgruppe ein.
Menschenrechte weltweit verteidigen
Weltweit werden vielerorts Oppositionelle verfolgt, der Handlungsspielraum von
Zivilgesellschaft und unabhängigen Medien eingeschränkt und Proteste
niedergeschlagen. Wir
setzen uns für Demokratie und Menschenrechte ein und stärken unabhängige Medien,
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Menschenrechts-Verteidiger*innen. Wir
wollen die
Fördermöglichkeiten ausbauen und die entsprechenden Schutzinstrumente und
Institutionen,
beispielsweise Sonderberichterstatter*innen und den Europäischen
Demokratiefonds, finanziell
stabilisieren und zugänglicher machen.
Der Zusammenarbeit mit Demokratien weltweit kommt bei der Förderung von Freiheit
und
Selbstbestimmung eine besondere Rolle zu. Wir unterstützen entsprechend der
Globalen
Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte die Verhängung von
gezielten
Sanktionen gegen staatliche wie nicht-staatliche Akteure, die für schwere
Menschenrechtsverletzungen und -verstöße verantwortlich oder an ihnen beteiligt
sind.
Menschenrechts-Verteidiger*innen riskieren viel. Sie bedürfen unseres Schutzes,
unserer
Solidarität und unserer aktiven Unterstützung. Die EU-Leitlinien zum Schutz von
Menschenrechts-Verteidiger*innen wollen wir konsequent umsetzen. Dabei ist eine
geschlechtsspezifische Perspektive wichtig, da Frauen und marginalisierte
Gruppen, etwa
Verteidiger*innen indigener Rechte, einem höheren Gewaltrisiko ausgesetzt sind.
Gefährdeten
Menschenrechts-Verteidiger*innen wollen wir in der EU mit einer schnelleren und
vereinfachten Visavergabe Schutz bieten. Wir setzen uns dafür ein, dass sich die
Auslandsvertretungen der EU für Menschenrechts-Verteidiger*innen stark machen.
Dazu gehört
etwa, Gerichtsverfahren von politischen Gefangenen zu beobachten, internationale
Sichtbarkeit zu schaffen, Soforthilfe bereitzustellen oder regelmäßigen
Austausch/regelmäßige Treffen durchzuführen. Nach Vorbild des kanadischen
Resettlement-
Programms setzen wir uns für ein europäisches Schutzprogramm von Menschenrechts-
Verteidiger*innen ein, das es ihnen ermöglicht, schnell und unbürokratisch
Schutz zu
erhalten und ihre Arbeit in sicherer Umgebung fortführen zu können.
Außen- und Entwicklungspolitik feministisch umsetzen
Gleichberechtigung macht Gesellschaften friedlicher, gerechter, nachhaltiger und
wirtschaftlich erfolgreicher. Sie ist fester Bestandteil der universellen
Menschenrechte.
Frauen und marginalisierte Gruppen sind in besonderem Maße von Gewalt, Armut und
Krieg, aber
auch von den Folgen der Klimakrise betroffen. Gleichzeitig sitzen oft nur wenige
von ihnen
mit am Tisch, wenn es darum geht, Lösungen für diese Krisen zu erarbeiten. Mit
der UN-
Resolution 1325 ist der Schutz von Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten sowie
ihre Teilhabe
bei Konfliktprävention und -bewältigung bereits international verankert. Wir
wollen
weitergehen. Wir setzen uns für eine feministische Außen- und
Entwicklungspolitik ein, die
Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen, Mädchen und marginalisierten
Gruppen in
allen Bereichen weltweit stärkt. Menschenrechtsbasiert hat sie die Überwindung
aller Formen
von Diskriminierung zum Ziel. Wir wollen sie als ein Leitprinzip der
Außenbeziehungen der EU
verankern. Die Leitlinien für die feministische Außenpolitik der Bundesregierung
sind
Vorbild für die Debatte auf europäischer Ebene.
Wir setzen uns dafür ein, den Frauenanteil in den außenpolitischen Institutionen
der EU
deutlich zu erhöhen, und dafür, dass die Perspektiven von Frauen und Mädchen bei
allen
internationalen Verhandlungen der EU einbezogen werden. Die Kapazitäten für
Gender und
Diversität in der EU-Diplomatie wollen wir stärken.
Wir fordern, dass die EU in ihren Außenbeziehungen weltweit zur Vorreiterin im
Kampf gegen
sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt wird. Nach dem Beitritt der EU
zur Istanbul-
Konvention verlangen wir deren konsequente Umsetzung durch die EU-
Mitgliedsländer. Auch
fordern wir die weltweite Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien gegen die
Diskriminierung und
für den Schutz der Menschenrechte von LGBTIQ*-Personen.
Wir wollen, dass die EU ihre Entwicklungspolitik nach den Grundsätzen
feministischer
Entwicklungszusammenarbeit partnerorientiert und nachhaltig ausrichtet. Sie muss
ihr selbst
gesetztes Ziel erreichen, dass bis 2025 85 Prozent der EU-Entwicklungsprogramme
auch zur
Geschlechtergerechtigkeit beitragen. Dazu soll die EU mehr Mittel für Projekte
zur Förderung
von Frauen bereitstellen, besonders im Bereich der Bildung sowie der sexuellen
und
reproduktiven Gesundheit. Zudem müssen intersektionale Perspektiven in den EU-
Aktionsplan
für die Gleichstellung der Geschlechter Eingang finden.
2. Eine europäische Sicherheitspolitik
Europa gemeinsam verteidigen
Russlands völkerrechtswidriger Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns deutlich
vor Augen
geführt, dass wir unsere Art zu leben im äußersten Notfall auch militärisch
verteidigen
können müssen. Die Zukunft der Bündnisverteidigung und der kollektiven
Reaktionsfähigkeit
liegen in der europäischen und transatlantischen Integration und
Interoperabilität unserer
Streitkräfte.
Je enger wir in der EU in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik
zusammenarbeiten, desto
besser, kosteneffektiver und wirksamer können wir die europäische
Verteidigungsfähigkeit
sicherstellen, gerade auch als Teil des transatlantischen Bündnisses (NATO). Der
strategische Kompass der EU und die Einbettung in das strategische Konzept der
NATO sind
dafür maßgebend.
Wir wollen daher weiter an einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsunion mit
einer starken
parlamentarischen Kontrolle arbeiten. Die verstärkte Zusammenarbeit der
Streitkräfte, zum
Beispiel innerhalb von permanenten EU-Einheiten, wollen wir ausbauen. Dabei sind
gemeinsame
Rahmenstandards und Arbeitsbedingungen für Soldat*innen notwendig. Wir wollen
die gemeinsame
EU-Kommandostruktur und europäische Militärkooperationsinitiativen vertiefen,
zum Beispiel
bei der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO).
Zivile und militärische Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GSVP) und deren Planungsstäbe stärken wir finanziell und
personell.
Diese Missionen müssen immer in ein politisches Gesamtkonzept eingebettet sein,
einer
kontinuierlichen Risikoanalyse unterliegen und sich am Leitbild der menschlichen
Sicherheit
orientieren. Gemeinsame EU-Auslandseinsätze sollten stärker vom Europäischen
Parlament
begleitet, kontrolliert und evaluiert werden. Wir verstetigen die Unterstützung
der Ukraine
im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität (EPF) und stärken deren Einheit für
Risikoanalyse und Rüstungskontrolle. Die Strukturen der EPF sollten so angepasst
werden,
dass die Verfügbarkeit der Mittel und die Planbarkeit der Ausgaben verbessert
werden.
Im Verteidigungssektor führt die unkoordinierte Beschaffung der EU-
Mitgliedstaaten zu
Überlappungen und damit zur Verschwendung von Steuergeldern in großem Maßstab.
Unser Ziel
ist eine gemeinsame europäische Entwicklung und Beschaffung von Rüstungsgütern.
Dafür bedarf
es finanzieller Anreize und Vertrauen, aber auch des politischen Willens, die
industriepolitischen Interessen der Mitgliedstaaten zugunsten von mehr
gemeinsamer
Sicherheit zurückzustellen. Die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) hat das
bisher nicht
im ausreichenden Maß bewerkstelligt. Wir teilen die Zielsetzung von bestehenden
Finanzinstrumenten wie dem European Defense Fund (EDF) oder der gemeinsamen
Beschaffung
(EDIRPA). Allerdings sind diese Instrumente unzureichend, rechtlich fragil und
die
parlamentarische Kontrolle stark eingeschränkt.
Deswegen wollen wir mittelfristig ein rechtssicheres außerbudgetäres
Finanzinstrument
schaffen, das die bestehenden Einzelprogramme ersetzt und den gesamten
militärischen
Fähigkeitszyklus abdeckt – von Forschung über Beschaffung bis hin zu
Instandhaltung und
Training. Die Ausgaben dieses Topfes müssen unter strenger und abgestimmter
Kontrolle des
Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente stehen.
Für einen gemeinsamen europäischen Rüstungsmarkt muss die EU-Kommission
Standardisierung,
Zertifizierung und Normierung betreiben, um die gemeinsame Einsatzfähigkeit von
Waffensystemen sicherzustellen. Bei allen diesen Schritten muss die
Komplementarität mit
Kommandostrukturen und Fähigkeiten der NATO gesichert bleiben.
Rüstungsexporte europäisch regulieren
Die gemeinsame Entwicklung, Anschaffung und Nutzung von europäischen
Waffensystemen schafft
mehr Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. Damit senkt sie auch den Druck, die
Waffensysteme an
Drittstaaten zu exportieren, und ist somit auch ein Beitrag für eine gemeinsame
wertebasierte Sicherheitspolitik. Für diese EU-Gemeinschaftsprojekte braucht es
einheitliche
und restriktive europäische Ausfuhrregeln. Wir wollen hierfür auf der Grundlage
des
gemeinsamen Standpunkts der EU eine Rüstungsexportkontrollverordnung
beschließen, die
Transparenz und Klarheit schafft sowie auf europäischen Werten und einer
gemeinsamen
Einschätzung der Sicherheitslage beruht. Es muss klare Entscheidungsmechanismen
und vor dem
Europäischen Gerichtshof (EuGH) einklagbare Sanktionsmöglichkeiten geben.
Vorangehende
Risikoanalysen sowie verbindliche und physische Endverbleibskontrollen müssen
dabei
vorgeschrieben werden. Europäische Waffen dürfen nicht weiter in die Hände von
Regimen
gelangen, die Menschenrechte systematisch verletzen oder diese für Verbrechen
der Aggression
nutzen. Wir setzen uns für ein Exportverbot für Überwachungstechnologien an
repressive
Regime und für ein weitgehendes Exportverbot für Kleinwaffen an Drittstaaten
ein.
Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global mehr Sicherheit für alle. Gerade
in
unsicheren Zeiten wollen wir die Rüstungskontrolle stärken und
Abrüstungsinitiativen
fördern. Die EU muss sich für eine Stärkung des Vertrags zur Nichtverbreitung
von Kernwaffen
(NVV) einsetzen und ihre Mitgliedstaaten zum schrittweisen Beitritt zum
Atomwaffenverbotsvertrag sowie zum Bekenntnis zu Vision Global Zero ermutigen.
Das Ziel
unserer Bemühungen bleibt eine atomwaffenfreie Welt. Die völkerrechtlichen
Bemühungen um
eine Regulierung von autonomen Waffensystemen unterstützen wir. Es darf keinen
Einsatz von
Waffensystemen geben, bei denen eine Maschine die letzte Entscheidung über Leben
und Tod
trifft.
Die EU und die Dual-Use-Herausforderung
Die rasante Entwicklung der technologischen Landschaft stellt die Europäische Union vor nie dagewesene Herausforderungen. Der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütern und strategischen Technologien kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Länder wie China, Russland und der Iran nutzen bestehende Schwachstellen in unserem Kontrollregime, um sich Zugang zu High-Tech-Produkten und Know-how zu verschaffen. Diese werden oft gegen die Interessen der EU und ihrer Verbündeten eingesetzt.Um diesem Trend entgegenzuwirken, setzen wir uns für die Einführung einer umfassenden strategischen Technologiedoktrin der EU ein. Diese sollte in enger Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten erarbeitet werden und sowohl sicherheitspolitische als auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen. Die Doktrin sollte klare Leitlinien für die Risikobewertung von Technologieexporten bieten, einschließlich möglicher militärischer Anwendungen und wirtschaftlicher Auswirkungen auf die europäische Souveränität.In einer neuen globalen Wirtschaftsordnung ist es von entscheidender Bedeutung, dass die EU eine ausgewogene Position vertritt, die sowohl unseren wirtschaftlichen als auch unseren sicherheitspolitischen Interessen Rechnung trägt. Es entspricht nicht unserem Interesse, zur militärischen Aufrüstung systemischer Rivalen wie China, Iran und Russland beizutragen oder unsere fortschrittlichen Technologien in einer Weise zu exportieren, die Menschenrechtsverletzungen ermöglichen könnte.Die EU muss daher ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den Vorteilen des Handels und der technologischen Zusammenarbeit mit diesen Ländern und den damit verbundenen Risiken erzielen. Dabei gilt es insbesondere, die Entstehung asymmetrischer Abhängigkeiten in kritischen Technologiebereichen zu verhindern. Ziel muss es sein, in Sicherheits-, Handels- und Technologiefragen nicht nur gegenüber China, sondern auch gegenüber anderen geopolitischen Akteuren wie der Iran und Russland kohärent Stellung zu beziehen. Auf diese Weise können wir gewährleisten, dass die EU-Mitgliedstaaten nicht dem Druck dieser externen Akteure ausgeliefert oder unterworfen sein müssen.Ein weiterer zentraler Baustein ist die Entwicklung eines gemeinsamen Risikorahmens für Exportkontrollen. Dieser Rahmen würde es den EU-Mitgliedstaaten ermöglichen, eine gemeinsame Risikobewertung der Ausfuhr von Technologie vorzunehmen. Ferner bildet er die Grundlage für eine bessere Harmonisierung der bestehenden Exportkontrollpolitiken zwischen den Mitgliedstaaten, um sicherzustellen, dass High-Tech-Produkte nicht ungewünschte Verwendung finden.Letztlich betonen wir die Notwendigkeit, neue wirtschaftliche Sicherheitsallianzen zu schmieden. Diese müssen sich auf strategische Technologiekontrolle und andere damit zusammenhängende Fragen konzentrieren und mit wichtigen Partnern, darunter die G7-Staaten und aufstrebende Technologiemächte wie Indien, geschlossen werden. Nur durch diese vielfältigen Ansätze kann die EU eine kohärente und effiziente Dual Use Export und Kontrolpolitik zu erreichen, die den europäischen Werten, außenpolitische Ziele und der gemeinsamen Sicherheit gerecht wird, ohne die technologische Entwicklung anderer Länder unnötig zu behindern.
Konflikten vorbeugen
Wir setzen uns für eine vorausschauende Außen- und Sicherheitspolitik ein, die
Konflikte
frühzeitig erkennt und ihnen begegnet. Wir wollen daher die EU-Mittel für
friedensfördernde
zivile Akteure umfassend aufstocken. Dabei muss die EU lokale
zivilgesellschaftliche
Konzepte und Akteure in der Friedensförderung stärker unterstützen und
Förderrichtlinien in
diesem Zusammenhang flexibilisieren. Die Fähigkeiten zur Friedenssicherung der
UN und der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie von
Regionalorganisationen wie der Afrikanischen Union wollen wir stärken.
Wir wollen zivile Missionen der GSVP als Instrument der EU-Außenpolitik durch
mehr
finanzielle Ressourcen und Personal stärken, um zum Beispiel die Polizei oder
das
Justizwesen in fragilen Staaten zu unterstützen. Mit rechtsstaatlichen und
bürgernahen
Institutionen können sie Vertrauen aufbauen und Konflikten vorbeugen. Eine
Neuausrichtung
der zivilen GSVP-Missionen auf Migrationsmanagement lehnen wir ab.
Durch eine Politik der Prävention leisten wir auch einen wichtigen Beitrag zur
Fluchtursachenbekämpfung. Gefestigte lokale Strukturen und funktionierende
staatliche
Institutionen mindern die Wahrscheinlichkeit von Konflikten, die menschliches
Leid erzeugen
und Menschen zum Verlassen ihrer Heimat zwingen.
Die europäischen und internationalen Organisationen im Bereich der humanitären
Hilfe wollen
wir stärken. Dazu zählen insbesondere eine bessere finanzielle Ausstattung sowie
effizientere Strukturen und Vergaberichtlinien der europäischen Organisation für
humanitäre
Hilfe ECHO. Auch die nationalen europäischen Hilfen wollen wir besser
koordinieren.
Schließlich wollen wir die europäischen Organisationen in der Nothilfe
verpflichten, stärker
auf geschlechterspezifische Bedürfnisse und die Bedürfnisse von marginalisierten
Gruppen zu
achten.
3. Globale Gerechtigkeit
Verlässliche Partnerin sein
Im Mittelpunkt unseres entwicklungspolitischen Engagements stehen für uns die
Menschen, die
wir bei ihrem Streben nach besseren Lebensverhältnissen vor Ort unterstützen
wollen. Damit
stehen wir für eine andere Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Schwellenländern
als
Autokratien. Chinas Entwicklungsinitiativen haben oft zum Ziel, einseitige
Abhängigkeiten zu
schaffen. Russland hat in seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die
Ukraine
gezeigt, dass es bereit ist, Hunger als Waffe einzusetzen. Wir wollen, dass die
EU aktiv den
Wettbewerb um die Partnerschaft mit dem Globalen Süden aufnimmt und den
begonnenen Weg eines
koordinierten Vorgehens mit den Mitgliedstaaten beim Aufbau von fairen
Partnerschaften
intensiviert. Dafür stehen wir auf europäischer Ebene ein. Dies muss auch dem
Erbe unserer
kolonialen Vergangenheit gerecht werden.
Wir wollen lokales Wissen und lokale Initiativen fördern, um den Aufbau von
Wirtschaftskreisläufen und sozialen Sicherungssystemen zu unterstützen. Dafür
wollen wir die
bestehenden Instrumente der europäischen Entwicklungszusammenarbeit im Dialog
mit unseren
Partnern weiterentwickeln. Dafür muss die EU lokale und zivilgesellschaftliche
Akteure in
Hochschulen, NGOs oder Start-ups stärken und Förderrichtlinien flexibilisieren.
Auch die
Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft gehört dazu. Wir setzen uns dafür ein,
dass
zivilgesellschaftliche und insbesondere Frauenrechtsorganisationen aus Ländern
des Globalen
Südens nach dem Vorbild des kanadischen Equality Fund direkt durch die EU
gefördert werden.
Angesichts der globalen Herausforderungen bedarf es substanzieller Mittel für
die
Entwicklungszusammenarbeit. Wir setzen uns dafür ein, dass alle EU-
Mitgliedstaaten das
gegebene Versprechen einlösen, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für
Entwicklungsfinanzierung (ODA-Quote) auszugeben. Es kommt aber nicht nur auf die
Quantität
der Unterstützung an, sondern auch darauf, Projekte partnerorientiert, schnell
und
unbürokratisch umzusetzen. Die Entwicklungsgelder müssen vor allem den
bedürftigsten Ländern
zukommen und zur Erfüllung der nachhaltigen Entwicklungsziele sowie des Pariser
Klimaabkommens beitragen. In Kooperation mit den Partnerstaaten wollen wir auch
die soziale
Absicherung der Menschen stärken. Wir unterstützen den Aufbau sozialer
Sicherungssysteme als
nachhaltiges Instrument gegen Armut.
Noch allzu häufig arbeiten EU-Kommission und Mitgliedstaaten im
entwicklungspolitischen
Bereich nebeneinanderher. Wir unterstützen deswegen den Team-Europe-Ansatz, der
in
Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft eine bessere sektorübergreifende
Koordinierung,
Kohärenz, Sichtbarkeit und Effektivität anstrebt. Um Kohärenz und Transparenz zu
erhöhen,
setzen wir uns für sektorübergreifende Evaluierungen und einen
Transparenzmechanismus für
öffentliche Entwicklungszusammenarbeit in der EU ein. Das Europäische Parlament
wollen wir
in entwicklungspolitische Entscheidungsprozesse besser einbeziehen.
Ernährung global sichern
Die multiplen Krisen unserer Zeit, allen voran die Klimakrise, bedeuten
existenzielle
Herausforderungen für die Ernährungssicherheit weltweit. Die EU muss sich für
ein
nachhaltiges und resilientes globales Ernährungssystem einsetzen und damit zur
Umsetzung des
Rechts auf Nahrung beitragen.
Eine resiliente und produktive ökologische Landwirtschaft mit starken regionalen
Märkten ist
das beste Mittel, um die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegen politische
Krisen und die
Folgen des Klimawandels zu machen. Projekte der europäischen
Entwicklungszusammenarbeit
sollen verstärkt wirtschaftlich tragfähige und ökologisch nachhaltige
Anbausysteme mit
möglichst geschlossenen Nährstoffkreisläufen fördern. Europäische
Agrarsubventionen,
patentiertes Saatgut und Landraub dürfen nicht länger kleinbäuerliche Strukturen
und Märkte
in Ländern des Globalen Südens unterminieren und einseitige, teure
Abhängigkeiten schaffen.
Viele traditionelle Anbaumethoden geraten immer mehr unter Druck. Wir wollen den
Auf- und
Ausbau lokaler Saatgutbanken fördern, damit traditionelles Wissen und die
biologische
Vielfalt erhalten und zugänglich bleiben. Wir wollen uns im Rahmen der EU für
striktere
Mechanismen zur Verhinderung von exzessiven Nahrungsmittelspekulationen, vor
allem in
Notsituationen, einsetzen. Exporte von chemisch-synthetischem Dünger und
Pestiziden, die in
der EU verboten sind, wollen wir beenden.
Die Förderung nachhaltiger Landwirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern
muss dabei
im Rahmen von umfassenden Strategien zur Stärkung von Ernährungssystemen
umgesetzt werden,
inklusive Zugang zu Technologien, Infrastrukturen, Märkten und Finanzmitteln.
Globale Verantwortung annehmen
Noch immer belastet das Erbe der Kolonialzeit die Beziehungen zwischen Europa
und ehemaligen
Kolonien. Es zeigt sich etwa in der ungleichen globalen Vermögensverteilung, in
wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnissen oder fehlender Repräsentanz. Die
Mitgliedstaaten
der EU müssen sich ihrer historischen Verantwortung stellen, die sich aus den
Verbrechen der
Kolonialgeschichte ergibt, und Machtungleichgewichte in den Blick nehmen. Dafür
braucht es
eine antirassistische Perspektive.
Wir wollen benachteiligende Klauseln in Handelsabkommen korrigieren und Reformen
bei den
Entwicklungsbanken vorantreiben. In internationalen Natur- und
Umweltschutzabkommen wollen
wir die Menschen- und Landrechte indigener und lokaler Gemeinschaften besser
achten. Die
europäische Entwicklungszusammenarbeit wollen wir in Kooperation mit
Partnerländern und
Zivilgesellschaft im Sinne einer kritischen Reflexion von Machtverhältnissen
kontinuierlich
evaluieren und weiterentwickeln.
Viele Entwicklungs- und Schwellenländer befinden sich in einer Schuldenkrise,
die ihre
Handlungsmöglichkeiten für sozialökologische Modernisierungsprozesse massiv
einschränkt. Die
EU und ihre Mitgliedstaaten müssen sich für solide Schuldenrestrukturierungen
und
Schuldenerlasse für besonders belastete Länder einsetzen. Dazu muss auch ein bei
den UN
angesiedeltes, transparentes und unabhängiges Schuldenrestrukturierungsverfahren
für Staaten
unter Einbezug von privaten Gläubiger*innen gehören. Wir wollen verhindern, dass
europäische
Rechtsräume zur Geldwäsche oder für die Steuervermeidung missbraucht werden, was
die
finanziellen Handlungsspielräume von Ländern des Globalen Südens weiter
einschränkt.
4. Fairer Handel
Mit Handel Wohlstand schaffen
Handel fördert den Austausch zwischen Menschen und Gesellschaften und kann
Wohlstand mehren.
Das hat die EU selbst gezeigt, deren Binnenmarkt sie bis heute als eine
wesentliche Säule
trägt. Besonders in Deutschland hängt unser Wohlstand aufgrund der starken
Exportorientierung unserer Wirtschaft von einem gut funktionierenden globalen
Handel ab. Es
ist daher eine politische Aufgabe der EU, ihren wirtschaftlichen und politischen
Einfluss so
zu nutzen, dass sie durch Handelspolitik Wertschöpfung fördert und zusätzlich
weltweit
Standards für soziale Gerechtigkeit, Klima- und Naturschutz sowie Menschenrechte
beeinflusst. Auf diese Weise schützen wir auch unsere eigenen Standards vor
einem
Unterbietungswettbewerb und wirken damit im Sinne unserer Werte und Interessen.
Die Krisen der letzten Jahre, Pandemie, Extremwetter und Krieg, haben gezeigt,
dass wir
Risiken bei Lieferketten und dem Zugang zu Rohstoffen reduzieren müssen. Eine
vorausschauende, offene Handelspolitik, die zuverlässige Partnerschaften knüpft,
liefert
dazu einen wichtigen Beitrag. Dazu müssen wir europäische Unternehmen dabei
unterstützen,
ihre Investitionstätigkeiten und Wertschöpfungsketten breiter zu streuen.
Handelsinstrumente neu ausrichten
Globaler Handel braucht globale Regeln. Die Welthandelsorganisation (WTO) ist
der
bestmögliche Rahmen, um diese Regeln zu formulieren, zu überprüfen und
eventuelle
Streitigkeiten auszutragen. Wir wollen die WTO grundlegend reformieren, damit
sie dieser
Rolle wieder gerecht werden kann. Dabei müssen auch gute Arbeitsstandards,
Klima- und
Umweltschutz, Zugang zu Gesundheitsprodukten und grünen Technologien sowie eine
faire
Entwicklung in das Zentrum der globalen Handelspolitik gestellt werden.
Doch die WTO ist aufgrund der angespannten geopolitischen Lage aktuell kaum noch
handlungsfähig und die Bereitschaft zu einer Reform global gesehen gering. Wir
setzen daher
verstärkt auf regionale Handelsabkommen auf Augenhöhe mit Partnern wie
Australien, Indien,
den Ländern Lateinamerikas oder der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN,
die sich
ebenfalls zu einem regelbasierten Welthandel bekennen.
Wir setzen uns dafür ein, dass Nachhaltigkeitsziele und Menschenrechte in alle
zukünftigen
internationalen Handelsabkommen aufgenommen und einklagbar werden. Im Falle
eklatanter
Missachtung der Menschenrechte oder bei Verstößen gegen das Pariser
Klimaabkommen, sollte
die EU konsequent von diesen Klauseln Gebrauch machen oder das Abkommen
aussetzen. Das
kürzlich abgeschlossene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland ist
ein Vorbild
für einklagbare Nachhaltigkeitsstandards.
Wir wollen das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des
geistigen Eigentums
(TRIPS) neu ausrichten. Damit werden wir den Transfer von klimafreundlichen
Technologien und
wichtigen Gesundheitstechnologien aus dem Globalen Norden in den Süden
unterstützen, um die
Entwicklung der dortigen Wirtschaft zu fördern und weltweite Emissionen zu
senken.
Die Digitalisierung kann global gerechten Handel wesentlich vereinfachen, etwa
indem sie die
Überwachung der Lieferketten automatisiert. In den Handelsabkommen der EU und in
ihren
Handelsinstrumenten müssen der digitale Handel von Gütern und Dienstleistungen,
geistige
Eigentumsrechte, Datenschutz und Netzneutralität stets mitgedacht werden. Dies
erfordert
eine Überarbeitung der europäischen Handelsinstrumente in den Bereichen
Datenbestimmungen,
Datenlokalisierung, Forschung und Entwicklung, nationale Steuersysteme und
digitaler
Binnenmarkt.
Zudem wollen wir die demokratische Kontrolle von Handelsabkommen verbessern. Vor
Beginn der
Verhandlungen sollte das Europäische Parlament das Verhandlungsmandat gemeinsam
mit dem Rat
der EU bestimmen.
Wenn EU-Industrien durch unfaire Handelspraktiken geschädigt werden, müssen
handelspolitische Schutzinstrumente der EU eine wirksame Antwort bieten, um den
fairen
Wettbewerb zu schützen. Umgekehrt wollen wir gerade weniger industrialisierten
Staaten einen
offenen Dialog anbieten und ihnen in Handelsabkommen eine faire Chance zu einer
Industriepolitik mit dem Ziel eigener Wertschöpfung einräumen. In diesem Bereich
haben wir
durch eine stetige Erweiterung unseres handelspolitischen Werkzeugkastens schon
vieles
erreicht. Zum Beispiel durch das Instrument gegen Zwangsmaßnahmen (Anti-
Coercion-
Instrument), mit dem sich die EU gegen einseitige Zwangsmaßnahmen von
Handelspartnern wehren
kann.
Im Einklang mit dem Klima handeln
Wir wollen unsere Wirtschaft klimaneutral umbauen und zu einer starken
Kreislaufwirtschaft
weiterentwickeln. Dazu gehört, mit unseren Handelspartnern gemeinsam Standards
zu
entwickeln, damit globale Märkte für grüne Produkte wie klimaneutralen Stahl
entstehen
können.
Die Einführung des Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) ist ein wichtiger Schritt,
um eine
faire CO2-Bepreisung im Welthandel einzuführen und das EU-Emissionshandelssystem
zu ergänzen
und abzusichern. Dadurch werden Importe von bestimmten Produkten wie etwa Stahl
oder Zement
aus Ländern ohne Emissionshandel teurer, wenn diese in klimaschädlichen
Verfahren
hergestellt werden. Der CBAM unterstützt damit auch die Modernisierung unserer
Industrie,
indem er beispielsweise die Produzenten von grünem Stahl vor außereuropäischer
Konkurrenz
durch fossil hergestellten Stahl schützt und einen fairen Wettbewerb
sicherstellt.
Es ist wichtig, dass wir Investitionen in fossile Brennstoffe und andere
klimaschädliche
Aktivitäten beenden und stattdessen Anreize für nachhaltige Investitionen
setzen. Dies
erfordert eine grundlegende Änderung des Modells für bilaterale EU-
Investitionsverträge. Der
Ausstieg aus dem klimaschädlichsten Investitionsschutzvertrag der Welt – dem
Energiechartavertrag – von Deutschland und anderen EU-Ländern ist ein großer
Erfolg. Wir
kämpfen jetzt folgerichtig für einen Austritt der gesamten EU aus dem
Energiechartavertrag.
Das Gesetz zu entwaldungsfreien Lieferketten ist ein wichtiger Baustein bei dem
Ziel, die
gravierenden Abholzungsraten weltweit zu bekämpfen.
Auf faire Partnerschaften setzen
Als globale Wirtschaftsakteurin muss die EU bei einer zukunftsorientierten
Handelspolitik
Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit ins Zentrum rücken. Die Gesetze zur
Regulierung der
europäischen Lieferketten sind ein wichtiger Hebel, um diese Ziele zu erreichen.
Damit
übernimmt die EU Verantwortung dafür, weltweit effektiv Sozial- und
Umweltdumping
zurückzudrängen.
Die Ratifizierung und Umsetzung der Kernarbeitsnormen der Internationalen
Arbeitsorganisation (ILO) sollte als Mindestanforderung für jedes
Handelsabkommen angesehen
werden. Handelsabkommen müssen auch die Anliegen von indigenen Völkern und
Gemeinschaften
vor Ort berücksichtigen und ihre Rechte schützen.
Es gibt derzeit mehr als 25 Millionen Zwangsarbeiter*innen auf der Welt.
Produkte aus dieser
heutigen Art der Sklaverei haben auf dem EU-Binnenmarkt nichts verloren. Das EU-
Importverbot
für Produkte aus Zwangsarbeit, welches gerade verhandelt wird, muss daher
konsequent
umgesetzt werden.
Die Wirtschaftsbeziehungen mit Entwicklungs- und Schwellenländern müssen wir
fair gestalten.
Die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit den Staaten Afrikas, der Karibik
und des
Südpazifiks wollen wir im Sinne eines fairen und entwicklungsorientierten
Handels
überprüfen. Dazu gehört es, die besonderen Vorteile der Least Developed
Countries, die es
diesen Ländern erlauben, Waren zollfrei in die EU einzuführen, auch als Teil von
EPAs zu
garantieren und den Staaten des Globalen Südens eine aktive Industriepolitik zu
ermöglichen.
5. Mehr EU in Europa
Erweiterungsperspektiven
Die Erweiterung der EU ist eine Erfolgsgeschichte und liegt in unserem ureigenen
Interesse.
Sie stärkt unsere Sicherheit, unsere Stabilität und unseren Wohlstand. Deswegen
ist es
unsere Verantwortung, die Kandidatenländer aktiv zu unterstützen. Klare
Kriterien für den
Beitritt wollen wir in einem fairen Beitrittsprozess mit verbindlichen Angeboten
der
Zusammenarbeit verknüpfen. Damit eine erweiterte EU handlungsfähig bleibt, muss
sie ihre
Strukturen reformieren: Erweiterung und Reformen müssen Hand in Hand gehen.
Alle Kandidatenstaaten müssen die Kopenhagener Kriterien, die Beitrittskriterien
der EU,
ohne Abstriche erfüllen und das gemeinsame Recht der EU, den acquis
communautaire,
vollumfänglich übernehmen.
Indem wir die EU-Erweiterung schrittweise voranbringen, dynamisieren wir den
langwierigen
und oft schwerfälligen Beitrittsprozess und sichern die Glaubwürdigkeit des
europäischen
Projekts. Es muss deutlich sichtbarerer werden: Allein das Reformtempo in den
Beitrittsländern bestimmt das Beitrittstempo. Deswegen wollen wir den
Beitrittsprozess mit
sichtbaren Zwischenschritten gestalten und diese mit positiven Anreizen
anerkennen, zum
Beispiel dem Zugang zu Roaming, Erasmus+ oder Teilen des Binnenmarkts. Ein
Stillstand der
Verhandlungen über einen längeren Zeitraum oder gar Rückschritte sollten im
Umkehrschluss zu
einem Wegfall der Vorteile führen. Ein Fokus im Beitrittsprozess muss auf dem
Kampf gegen
Korruption und Organisierte Kriminalität liegen. Dazu wollen wir die Mandate der
EU-
Antikorruptionsbehörde OLAF und der Europäischen Staatsanwaltschaft auf die
Beitrittskandidaten und die von ihnen eingesetzten EU-Mittel ausweiten.
Zentral ist für uns auch die Stärkung der Zivilgesellschaften in den
Beitrittsstaaten, ihre
Vernetzung untereinander und mit den Mitgliedstaaten der EU. Auf dem Weg in die
EU ist uns
eine enge Zusammenarbeit mit allen demokratischen Kräften der Beitrittsländer
auch jenseits
der Regierungen wichtig. Regierungsvertreter*innen der Beitrittsländer sollen an
ausgewählten Sitzungen des Rats der EU teilnehmen können.
Westbalkanstaaten
Die Zukunft der sechs Westbalkanstaaten Albanien, Bosnien und Herzegowina,
Kosovo,
Montenegro, Nordmazedonien und Serbien liegt in der EU.
Das Versprechen eines EU-Beitritts ist weiterhin ein wichtiger Motor für den
sensiblen
Friedens- und Aussöhnungsprozess in den Ländern des Westbalkans. Dieses
Beitrittsversprechen
darf die EU nicht aufs Spiel setzen. Der Beginn der Beitrittsgespräche mit
Albanien und
Nordmazedonien, der Kandidatenstatus für Bosnien und Herzegowina sowie die
Visaliberalisierung für Kosovo sind wichtige Fortschritte auf dem Weg in die EU.
Gleichzeitig bleiben die Herausforderungen angesichts von Korruption,
Organisierter
Kriminalität, schwacher rechtsstaatlicher Strukturen und teils unzureichender
Aufarbeitung
der Kriegsverbrechen groß. Bei deren Bewältigung wollen wir die Staaten im
Beitrittsprozess
intensiv unterstützen. Die Zivilgesellschaften der Region wollen wir noch besser
fördern,
besonders auch die grenzüberschreitende Jugendarbeit in der Region stärken und
eine
inklusive Erinnerungskultur unterstützen. Im Rahmen der Grünen Agenda für den
Westbalkan
wollen wir die Region beim Ausbau guter Arbeitsplätze, erneuerbarer Energien und
nachhaltiger Investitionen schnell und effektiv unterstützen.
Ukraine
Die Ukraine steht in der Mitte der europäischen Familie. Ihr Platz ist in der
EU. Millionen
Ukrainer*innen stellen sich täglich dem völkerrechtswidrigen russischen
Angriffskrieg mutig
entgegen: Sie wehren sich gegen den brutalen Versuch Russlands, ihr Land zu
unterwerfen und
ihre Kultur auszulöschen, das Völkerrecht und die europäische Friedensordnung zu
zerstören.
Wir setzen uns dafür ein, dass die EU in ihrer humanitären, politischen,
finanziellen und
auch militärischen Unterstützung der Ukraine nicht nachlässt. Wir werden die
Ukraine
weiterhin entschlossen unterstützen, damit sie ihre Souveränität und volle
territoriale
Integrität wiedererlangen und verteidigen kann. Wir stehen fest an der Seite der
Ukraine,
ihrer Menschen und ihres Rechts auf Freiheit, Selbstbestimmung und
Selbstverteidigung und
unterstützen den Wunsch zu einem nachhaltigen Frieden und zu robusten,
zuverlässigen
Sicherheitsgarantien.
Auch auf dem Weg in die EU werden wir die Ukraine umfassend unterstützen. Beide
Seiten
profitieren von einem geordneten und zügigen Beitrittsprozess. Wir setzen dabei
auf
Transparenz, Rechtsstaatlichkeit, konsequente Korruptionsbekämpfung und eine
aktive Rolle
der Zivilgesellschaft und der regionalen und kommunalen Ebene.
Wir setzen uns dafür ein, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten den Wiederaufbau
der Ukraine
finanziell, technisch und mit Investitionen engagiert unterstützen. Dazu bedarf
es auch
großer finanzieller Anstrengungen und erheblich beschleunigter Verfahren, um
schnelle
Ergebnisse zu erzielen und das Land gegen die russischen Angriffe zu stärken.
Wir setzen auf vielfältige internationale Ermittlungs- und Justizorgane, die
russische
Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen einschließlich des
Verbrechens des
Aggressionskriegs aufklären und bestrafen. Ein internationaler Mechanismus soll
über die
Wiedergutmachung der Sach- und Personenschäden durch Russland an die Ukraine
entscheiden und
so eine Rechtsgrundlage zur Heranziehung Russlands zur Finanzierung des
Wiederaufbaus der
Ukraine schaffen.
Die Wirtschaft der Ukraine ist durch den Krieg massiv geschwächt. Wir möchten,
dass die EU
die Wirtschaft der Ukraine durch Makrofinanzhilfen weiter stabilisiert und diese
als Zeichen
der Solidarität und als Beitrag zur europäischen Sicherheit fortsetzt. Dazu
gehört auch, den
Ausbau alternativer Exportwege für ukrainische Agrarprodukte jenseits des
Schwarzen Meeres
(solidarity lanes) weiter voranzutreiben. Das hilft der Ukraine wirtschaftlich
und trägt zur
globalen Ernährungssicherung bei.
Georgien und Moldau
Die Zukunft Moldaus und Georgiens liegt in der EU. Beide Länder sind seit Langem
Ziel von
militärischer Aggression und Destabilisierungsversuchen Russlands. Diese sind
seit Beginn
des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine intensiviert worden. Wir stehen
entschlossen
zur Souveränität und territorialen Integrität der beiden Länder. Wir werden
Moldau und
Georgien auf ihrem Weg in die EU tatkräftig unterstützen, gleichzeitig aber auch
die dafür
nötigen Reformen einfordern. Insbesondere Moldau hat als EU-Beitrittskandidat
seit 2020
einen mutigen und ambitionierten Reformkurs eingeschlagen, den wir konsequent
unterstützen.
Europäische Nachbarschaft
Die europäische Familie ist größer als die EU. Wir möchten eine EU, die
konstruktiv mit
ihren europäischen Nachbarn zusammenarbeitet.
Die Zusammenarbeit der EU mit dem Europarat bei der Förderung und Verteidigung
von
Demokratie und Menschenrechten auf dem europäischen Kontinent möchten wir
intensivieren.
Wir begrüßen die Europäische Politische Gemeinschaft als eine Plattform zur
engeren
Zusammenarbeit mit europäischen Staaten, unabhängig davon, ob diese eine EU-
Mitgliedschaft
anstreben oder nicht. Insbesondere im Bereich Energie ist diese Zusammenarbeit
im
ausgeprägten europäischen Interesse.
Wir möchten, dass die EU und das Vereinigte Königreich weiter konstruktiv daran
arbeiten,
ihre Beziehungen nach dem Brexit wieder zu intensivieren. Eine enge
wirtschaftliche und
militärische Zusammenarbeit von EU und Vereinigtem Königreich ist im
beiderseitigen
Interesse. Wir begrüßen, dass das Vereinigte Königreich wieder in das EU-
Forschungsprogramm
Horizont Europa einsteigt. Gleichzeitig erwarten wir, dass die britische
Regierung
praktische Hürden beim Austausch und der Zusammenarbeit mit der EU, zum Beispiel
bei den
Studierenden-Visa, möglichst rasch abbaut.
Die OSZE wollen wir angesichts der Herausforderungen durch den russischen
Angriffskrieg
gegen die Ukraine als wichtiges Forum für Dialog und Krisenprävention bewahren.
Sie kann in
der Gestaltung der Nachkriegsordnung in Osteuropa eine zentrale Rolle spielen.
Türkei
Die Türkei und die EU – und dabei ganz besonders Deutschland – verbindet eine
langjährige
Freundschaft und Partnerschaft, die sich in engen gesellschaftlichen,
kulturellen und
wirtschaftlichen Beziehungen niederschlägt. Wir glauben, dass eine demokratische
Türkei, in
der die Rechte aller ihrer Bürger*innen geachtet werden, einen festen Platz in
der
europäischen Familie hat.
Derzeit sieht die politische Realität leider anders aus: Die türkische Regierung
hat sich in
den vergangenen Jahren immer weiter von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten
entfernt.
Mit einer aggressiven Außen- und Regionalpolitik richtet sich Ankara zum Teil
offensiv gegen
europäische Interessen. Die anfängliche Blockade des schwedischen NATO-Beitritts
oder die
völkerrechtswidrige Militäroffensive in Nordsyrien zeigen zugleich, was für eine
schwierige
Partnerin die Türkei für Europa und die NATO in der aktuellen Sicherheitslage
ist.
Gleichzeitig hat sie sich als Vermittlerin im Krieg gegen die Ukraine und
darüber hinaus
engagiert.
Die Türkei bleibt trotz dieser ambivalenten Rolle eine strategische Partnerin
für die NATO,
für Europa und für Deutschland. Diesem Dilemma stellt sich eine aktive GRÜNE
Außenpolitik.
Für uns kann es eine Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt erst
dann wieder
geben, wenn die Türkei glaubhaft den Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
einschlägt.
Wir unterstützen die Zusammenarbeit in den Bereichen, in denen sie notwendig und
möglich
ist, etwa zur Sicherheit im Schwarzen Meer oder bei der Bekämpfung des
Klimawandels. Der
autoritären Politik und nationalistischen Rhetorik aber, die sich offen gegen
die EU, gegen
die Sicherheit von türkischen Oppositionellen in der EU, gegen Kurd*innen und
andere
Minderheiten oder gegen Menschenrechts-Verteidiger*innen im eigenen Land wenden,
treten wir
entschieden entgegen. Die türkische Regierung muss die unzähligen politischen
Gefangenen aus
der Haft entlassen und den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte Folge
leisten.
Wir stehen weiterhin fest an der Seite der vielen Türk*innen, die sich für
Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit engagieren. Wir möchten, dass die EU die türkische
Zivilgesellschaft,
die sich für einen demokratischen Wandel einsetzt, besonders unterstützt.
6. Ein starkes Europa in der Welt
Die östliche Nachbarschaft der EU
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist eine Zäsur für die EU und unseren
Kontinent.
Die EU ist aufgefordert, neue Antworten auf ihre Nachbarschaft zu einem
feindseligen
Russland zu finden. Für unsere osteuropäischen Partner der EU braucht es
zielgerichtete
Politiken einer neuen EU-Politik für Osteuropa und Zentralasien, die besonders
die
veränderten Sicherheitsinteressen unserer Partner in den Blick nehmen.
Gleichzeitig müssen
wir die demokratischen Reformkräfte und Zivilgesellschaften in den durch
russische
Einmischung bedrohten europäischen Nachbarstaaten Russlands besonders
unterstützen.
Wir stehen fest an der Seite der mutigen Menschen, die sich in Belarus seit den
Protesten
rund um die gefälschten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 unermüdlich für
Demokratie und
Menschenrechte in ihrem Land einsetzen. Wir werden uns weiterhin solidarisch und
mit
Nachdruck für die Unterstützung der belarusischen Zivilgesellschaft und
Opposition, die
Freilassung aller politischen Gefangenen, die Sanktionierung des belarusischen
Regimes und
für freie und faire Wahlen im Land einsetzen.
Diktator Lukaschenka und sein Regime haben sich in Belarus und durch die
Unterstützung des
russischen Angriffskriegs in der Ukraine schwerer Menschenrechtsverletzungen und
Kriegsverbrechen schuldig gemacht. Dafür müssen sie zur Rechenschaft gezogen
werden. Wir
setzen uns insbesondere dafür ein, dass die EU die Sammlung und Sicherung von
Beweismaterial
unterstützt.
Die EU kann und sollte sich stärker in allen Ländern des Südkaukasus engagieren
und
bestehende Demokratiebewegungen und die Zivilgesellschaft aktiv unterstützen.
Armeniens Weg
für mehr politische Teilhabe und persönliche Freiheiten wurde durch russischen
Druck und den
Krieg um Bergkarabach massiv erschwert. Wir begrüßen daher die EU-
Beobachtungsmission in
Bergkarabach als wichtigen Schritt, den fortwährenden Konflikt zwischen
Aserbaidschan und
Armenien zu befrieden. Die EU kann hier als stabilisierender Mittler agieren und
dadurch
zugleich die demokratischen Reformkräfte Armeniens stärken.
Putin und sein Machtregime haben Russland in eine totalitäre Diktatur gewandelt.
Sicherheit
in Europa kann es aktuell nur vor Russland geben – und nicht mit Russland.
Gewalt, Lüge,
Korruption und Willkür prägen die politische Realität. Die Zivilgesellschaft
wurde mundtot
gemacht, die Opposition befindet sich entweder im Exil oder in politischer
Gefangenschaft.
Wir werden uns weiterhin für die Freilassung aller politischen Häftlinge
einsetzen. Wir
sehen uns als Freunde und Partner derer, die ein freies, friedliches und
demokratisches
Russland wünschen. Wir verstehen uns als harte Widersacher all jener, die das
verbrecherische Regime um Putin stützen. Wir unterstützen daher die europäische
Sanktionspolitik gegen das Regime und seine Vertreter*innen. Wirtschafts- und
handelspolitische Normalität kann es mit diesem Russland nicht geben.
Wir begrüßen den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den
russischen
Präsidenten. Er hat sich schlimmster Menschenrechtsverbrechen schuldig gemacht
und muss
dafür mit voller Härte des Rechts zur Rechenschaft gezogen werden.
Transatlantische Beziehungen
Mit keinem Land außerhalb Europas verbindet uns Europäer*innen zugleich eine so
tiefe
gemeinsame Geschichte und eine so starke Partnerschaft wie mit den USA. Die USA
haben nach
dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des Kalten Kriegs maßgeblich zur politischen
Einigung auf
dem europäischen Kontinent und zur Wiedervereinigung Deutschlands beigetragen.
Die transatlantischen Beziehungen sind aber auch von zentraler Bedeutung für
unsere
europäische Gegenwart und Zukunft. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die
Ukraine haben
die USA mehr als jedes andere Land dazu beigetragen, die Friedensordnung in
Europa zu
verteidigen und die politische Einheit der europäisch-atlantischen Allianz zu
sichern. Die
derzeitige US-Administration ist ein strategischer Partner: für unsere
Sicherheit, für die
klimagerechte Erneuerung unseres Wohlstands und für die Selbstbehauptung der
liberalen
Demokratie.
Gemeinsam sind wir stärker in der systemischen Auseinandersetzung mit China,
Russland und
anderen autoritären und totalitären Regimen. Gemeinsam können wir globale
Wertepartnerschaften und multilaterale Foren und Vereinbarungen sichern und
ausbauen.
Gemeinsam können wir die globale Handelsordnung gestalten und den klimaneutralen
Umbau
unserer Industrien voranbringen. Und gemeinsam können wir Zukunftstechnologien
entwickeln
und sie zugleich zum Wohle der Menschen und ihrer Freiheit aktiv gestalten.
Eine starke transatlantische Beziehung benötigt handlungsfähige und
handlungsbereite Partner
auf beiden Seiten des Atlantiks. Deshalb braucht es mehr europäische
Anstrengungen, um
eigene sicherheits-, verteidigungs- und wirtschaftspolitische Kapazitäten zu
entwickeln.
Antiliberale Tendenzen auf beiden Seiten des Atlantiks gefährden das
Wertefundament, auf dem
die transatlantische Partnerschaft basiert. Ihnen gilt es entschieden
entgegenzutreten.
Das bedeutet auch, dass wir die strategische Partnerschaft mit den USA
gleichzeitig
intensivieren und diversifizieren müssen. Diversifizierung heißt zum einen, die
transatlantischen Beziehungen auf ein breiteres Fundament zu stellen – durch den
Ausbau von
Partnerschaften mit Bundesstaaten, Städten, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und
Wissenschaft.
Und Diversifizierung heißt zum anderen, einseitige Abhängigkeiten zu reduzieren
– durch eine
Stärkung der eigenständigen Handlungsfähigkeit der EU.
Der gemeinsame Handels- und Technologierat (TTC) der EU und der USA ist ein
geeignetes
Forum, um gemeinsame Antworten auf globale Herausforderungen zu entwickeln.
Einer Vertiefung
der wirtschaftlichen Beziehungen mit den USA stehen wir offen gegenüber, wenn
die soziale
und ökologische Standardsetzung dabei dem Prinzip des „Race to the Top“ folgt.
China
Für uns ist China Partner, wirtschaftlicher Wettbewerber und systemischer
Rivale. Durch
Chinas zunehmend aggressives Auftreten auf der globalen Bühne tritt die
Partnerschaft jedoch
zunehmend in den Hintergrund. Wir sind besorgt über die politische Entwicklung
in China. Sie
trägt zu einer weiteren Verschärfung der Differenzen zwischen Europa und China
bei. Im
Innern handelt die chinesische Führung repressiver und autoritärer; nach außen
verfolgt sie
inzwischen offen hegemoniale Ambitionen und versucht aggressiv, den eigenen
globalen
Einfluss zu erweitern. Dazu gehört eine enge Partnerschaft mit Russland.
Deswegen setzen wir
uns für eine engere Koordination der Mitgliedstaaten und der EU als Institution
sowie für
einen strukturierten Informationsaustausch und eine engere transatlantische
Koordinierung
des Verhältnisses zu China ein.
Die EU muss ihre einseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten von China, zum
Beispiel bei
Rohstoffen und Medikamenten, deutlich schneller reduzieren und die europäische
Wirtschaft
dabei unterstützen, langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Ohne eine
ambitionierte,
eigenständige Industrie- und Investitionspolitik kann dies nicht gelingen. Dabei
ist es
zentral, dass die EU einen eigenständigen Kurs gegenüber China formuliert.
Stimmen, die
einer kompletten Entkopplung von China das Wort reden, erteilen wir dagegen eine
Absage.
China ist der größte Handelspartner der EU, aber nur unser drittgrößter
Exportmarkt. Das
Handelsdefizit wächst: Importe aus China nehmen zu, die Exporte nach China ab.
Noch gibt es
in China Abhängigkeiten von Technologien aus Europa, zudem ist der europäische
Markt für
chinesische Konzerne attraktiv. Die EU kann hier den bestehenden
Handlungsspielraum besser
und selbstbewusster nutzen, vor allem im Bereich der Transparenzpflichten
chinesischer
Konzerne bei Arbeits-, Sozial-, Umwelt-, aber auch Sicherheitsstandards. Der
Schutz
Kritischer Infrastruktur vor dem Zugriff chinesischer Investitionen muss
nachhaltig und in
der gesamten EU gewährleistet werden.
Wir unterstützen die Einführung und den Einsatz des Anti-Coercion-Instruments
der EU sowie
einen koordinierten Ansatz bei Exportrestriktionen im Bereich sensibler
Technologien. Mit
gemeinsamen Instrumenten kann sich die EU besser gegen wirtschaftliche
Erpressungsversuche
verteidigen und eine abschreckende Wirkung erzielen.
Die massiven und systematischen Menschenrechtsverletzungen gegen Uigur*innen in
der Provinz
Xinjiang, aber auch gegen Tibeter*innen, religiöse Minderheiten und
Vertreter*innen der
Zivilgesellschaft durch die chinesische Regierung müssen beendet werden. Der
Schutz der
Menschenrechte ist Grundlage europäischer Politik. Produkte aus Zwangsarbeit in
China dürfen
keinen Zugang zum europäischen Markt bekommen.
Wir halten an der Ein-China-Politik der EU fest. Gleichzeitig erkennen wir an,
dass das
Eskalationsrisiko in der Taiwan-Straße durch die Erhöhung des militärischen
Drucks der
Volksrepublik China deutlich zugenommen hat. Wir betrachten Taiwan als
demokratischen
Wertepartner und setzen uns dafür ein, den wirtschaftlichen, kulturellen und
politischen
Austausch zu intensivieren.
Bei zentralen globalen Herausforderungen wie der Schuldenkrise der
Entwicklungsländer, der
Finanzierung von wirtschaftlicher Modernisierung sowie bei Klimaschutz- und
Anpassungsmaßnahmen werden wir, wo immer dies möglich ist, mit China
zusammenarbeiten. Dies
gilt auch für den globalen Gesundheitsschutz, den Schutz der Biodiversität oder
den Schutz
der Weltmeere. In diesen und weiteren Bereichen bleiben wir auf Basis der
universellen
Erklärung der Menschenrechte und der Kernprinzipien der multilateralen Ordnung
offen für
Kooperation.
Naher Osten und Nordafrika
Der Nahe Osten und Nordafrika ist eine Region im Umbruch und ein wichtiger
Nachbar für die
EU. Die Hoffnung der Revolutionsbewegungen in der Region blieb weitestgehend
unerfüllt, und
in den vergangenen Jahren haben sich wieder autoritäre Akteure in der Region
verfestigt. Wir
wollen aber trotz der schwierigen Lage eine enge Zusammenarbeit anstreben, die
die
wirtschaftliche Entwicklung zugunsten der Menschen unterstützen soll. Ihr Wunsch
nach einem
Leben in Würde und Sicherheit und mehr politischer Teilhabe soll im Zentrum der
europäischen
Nahostpolitik stehen.
Große Potenziale liegen beim Ausbau der erneuerbaren Energien. In der
Zusammenarbeit von
kleinen und mittleren Unternehmen sehen wir dabei eine besondere Chance, um
Strukturen
jenseits der oft staatsdominierten Großunternehmen in der Region zu stärken.
In der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft muss die EU verlässliche
Partnerin sein für
all diejenigen, die frauen- und menschenrechtliche Perspektiven schaffen und
Freiheit und
Selbstbestimmung voranbringen wollen. Durch die Geschichte von Kolonialismus und
jahrzehntelanger Unterstützung autoritärer Regierungen trägt Europa hier eine
besondere
Verantwortung.
Wir wollen eine Migrationspolitik gestalten, die uns nicht von autoritären
Regimen in der
Region erpressbar macht. Eine einseitige Fokussierung auf Flüchtlingsabwehr im
Verhältnis zu
den südlichen Mittelmeeranrainern stützt autoritäre und dysfunktionale Regime,
die selbst
Fluchtgründe schaffen.
Die Existenz und die Sicherheit Israels als nationale Heimstätte des jüdischen
Volkes mit
gleichen Rechten für all seine Bürger*innen sind unverhandelbar. Für Frieden und
Sicherheit
braucht es eine Zweistaatenregelung mit der Schaffung eines souveränen,
lebensfähigen und
demokratischen Staates Palästina.
Im Iran stehen wir an der Seite der Protestbewegung, die sich für feministische
Prinzipien
und einen freiheitlichen und demokratischen Staat einsetzt. Wir treten dafür
ein, dass die
EU die Sanktionen gegen die Verantwortlichen des Regimes aufrechterhält und
erweitert. Die
iranische Revolutionsgarde muss rechtssicher als Terrororganisation gelistet
werden. Zudem
muss die EU die demokratische Opposition im Iran und in der Diaspora
unterstützen und
politisch verfolgte Iraner*innen schnell aufnehmen. Das Islamische Zentrum
Hamburg als
Koordinationspunkt der Überwachung der Diaspora in Deutschland muss endlich
geschlossen
werden. Der Iran muss sich an internationale nukleare Nicht-Verbreitungsabkommen
halten.
Der Rüstungsspirale in der Region wollen wir mit einer gemeinsam und geschlossen
auftretenden EU entgegenwirken. Wir begrüßen diplomatische Bemühungen um
Deeskalation in der
Region. Normalisierung von Beziehungen darf nicht zu Straflosigkeit führen, zum
Beispiel
angesichts der Menschheitsverbrechen des Assad-Regimes in Syrien.
Durch das jahrelange Engagement und den anschließenden schnellen Abzug
westlicher Truppen
tragen wir eine besondere Verantwortung gegenüber Afghanistan. Wir verurteilen
vor allem die
Verdrängung von Frauen aus fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens und
erkennen die
Taliban nicht als Regierung Afghanistans an. Wir setzen uns dafür ein, dass die
EU
angesichts der dramatischen Lage im Land weiterhin humanitäre Hilfe leistet und
dabei
explizit Frauen einbindet. Ortskräfte und Menschenrechts-Verteidiger*innen sind
aufgrund
ihrer Arbeit – etwa für die Bundeswehr und internationale Organisationen – oder
ihres
Einsatzes für Menschenrechte in Gefahr. Wir stehen daher für den konsequenten
Schutz und die
Aufnahme von Ortskräften und Menschenrechts-Verteidiger*innen.
Afrika
Die afrikanischen Staaten und Europa sind geografisch wie historisch eng
verbunden. Wir
wollen die vielfältigen Länder und Gesellschaften auf dem afrikanischen
Kontinent in ihren
Bemühungen unterstützen, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und gute Jobs
vor Ort zu
schaffen. Wir sehen eine wachsende Zusammenarbeit der EU mit dem afrikanischen
Kontinent in
Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft als Chance für beide
Seiten. Dabei
begreifen wir die Stärkung der Demokratie als wichtige Aufgabe.
Ein gutes Beispiel sind die europäischen Klima- und Wasserstoffpartnerschaften,
die dazu
beitragen können, die Industrie auf beiden Kontinenten klimaneutral
voranzubringen. Wir
wollen sie daher ausbauen. Dabei ist für uns klar, dass die erzeugte Energie und
damit
verbundene Wertschöpfungsketten immer zuerst den produzierenden Ländern vor Ort
und ihrer
Nachbarschaft zur Verfügung stehen müssen.
Dabei ist die geplante Zusammenarbeit im Rahmen der Global-Gateway-Initiative
ein Schritt in
Richtung weiterer wirtschaftlicher Entwicklung beider Kontinente und trägt als
attraktives
europäisches Angebot für die großen Investitionsbedarfe zur Verringerung der
Abhängigkeit
von China und Russland bei. Wir wollen die regionale Integration in den
afrikanischen
Wirtschaftsgemeinschaften und der Afrikanischen Union inklusive der entstehenden
panafrikanischen Freihandelszone unterstützen.
Gute Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit sind unverzichtbare Grundlage für
gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Dort, wo die staatlichen
Strukturen
geschwächt sind, wollen wir durch eine Unterstützung der Zivilgesellschaft und
demokratischer politischer Akteure zu einem Wiederaufbau beitragen. Eine
besondere Rolle
kommt dabei Frauen und marginalisierten Gruppen zu.
Europas Verflechtung mit Afrika ist bis heute von einem Machtungleichgewicht
gekennzeichnet.
Zudem leidet der afrikanische Kontinent bereits heute besonders stark unter den
Folgen der
Klimakrise, die in bedeutendem Maß durch europäische Emissionen verursacht
wurde. Im
Bewusstsein auch unseres kolonialen Erbes wollen wir Beziehungen gestalten, die
von Respekt
und Gleichberechtigung getragen werden.
Indopazifik
Das ökonomische Gravitationszentrum hat sich in den indopazifischen Raum
verschoben. Hier
findet ein Großteil des globalen Wachstums, der Innovation und Entwicklung
statt.
Wir wollen die enge Kooperation mit Europas zentralen Partnern wie Japan,
Südkorea,
Australien und Neuseeland ausbauen und den Austausch mit den ASEAN-Staaten
intensivieren.
Dabei wollen wir unseren Fokus auch auf mehr Zusammenarbeit bei Klimaschutz und
wirtschaftliche Modernisierung legen und gleichzeitig die Zivilgesellschaft und
die
Menschenrechte stärken. Auch die tiefe Kooperation mit Japan als engster Partner
im
indopazifischen Raum sowie einziges Mitglied der G7 in der Region wollen wir
weiter
ausbauen. Ein Beispiel hierfür ist die Digitale Partnerschaft, welche die EU im
Mai 2022 mit
Japan als erstes Partnerland überhaupt geschlossen hat.
In der Pazifikregion liegen viele Staaten, die durch die Klimakrise in ihrer
Existenz
bedroht sind, obwohl sie selbst wenig den globalen Emissionen beigetragen haben.
Wir wollen
sie im Umgang mit den Folgen der Erderwärmung und des steigenden Meeresspiegels
konkret und
finanziell unterstützen. Wir wollen den Klimaschutz stärker in
Handelsbeziehungen mit den
Staaten der gesamten Region verankern und die Produktion von grüner Energie in
der Region,
zum Beispiel durch die Global-Gateway-Initiative der EU, gemeinsam voranbringen.
Wir streben eine Vertiefung und Erweiterung der Beziehungen der EU mit Indien
an. Wir
begrüßen den Start des EU-India Trade and Technology Council im Jahr 2023 ebenso
wie die
2021 begonnene Konnektivitätspartnerschaft. Wir erkennen Indiens neue Bedeutung
für die
Bereitstellung globaler digitaler Güter an und wollen eine verstärkte
Zusammenarbeit bei
digitalen Zahlungssystemen ausloten. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit muss
sich an klaren
Sozial-, Minderheits- und Klimaschutzstandards orientieren. Mit zunehmender
Sorge betrachten
wir in dieser Hinsicht die aktuellen innenpolitischen Entwicklungen. Wir
unterstützen die
indische Zivilgesellschaft und setzen uns für eine friedliche Lösung
territorialer Konflikte
in Grenzregionen ein.
Lateinamerika
Die Länder Lateinamerikas sind nicht nur wichtige Wirtschafts-, sondern viele
auch unsere
Wertepartner. Die zahlreichen Demokratien dort sind für Europa natürliche
Partner bei der
Stärkung des Multilateralismus. Foren wie das wiederbelebte Gipfeltreffen
zwischen der EU
und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC)
ermöglichen
eine intensive Kooperation und Partnerschaft mit den Ländern des Kontinents.
Allerdings ist die liberale Demokratie in einigen Staaten nach wie vor unter
Druck, wie
beispielsweise der Sturm auf Regierungsgebäude Anfang 2023 in Brasilien gezeigt
hat.
Ereignisse wie diese verdeutlichen, dass die Demokratie gegen autokratische
Tendenzen und
Gruppierungen verteidigt werden muss. Hierfür ist eine starke Zivilgesellschaft
essenziell.
Wir wollen Aktivist*innen für Menschenrechte, Umweltschutz und für die Rechte
von LGBTIQ*,
Frauen und Indigenen schützen und ihre Arbeit aktiv unterstützen. Auch eine
effektive
Bekämpfung von Korruption und Drogenkriminalität ist wichtig.
Über 55 Prozent der weltweiten Fläche an Regenwald befinden sich in
Lateinamerika. Die
Region ist zentral zum Schutz unseres Weltklimas. Deswegen wollen wir eine
Intensivierung
von Klima- und Rohstoffpartnerschaften sowie eine Ausweitung der Kooperation für
nachhaltige
Landwirtschaft und für effektiven Naturschutz. Der Schutz der Rechte der
indigenen
Bevölkerung muss dabei bei allen Vorhaben mitgedacht und priorisiert werden.
Europa braucht enge Handelsbeziehungen mit Lateinamerika, nicht zuletzt auch, um
seine
Lieferketten mit Blick auf China zu diversifizieren. Die Global-Gateway-
Initiative der EU
kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Diese Partnerschaften können nur dann
erfolgreich
sein, wenn beide Seiten davon profitieren und ein substanzieller Teil der
Wertschöpfung in
Lateinamerika verbleibt. Wir werden das Mercosur-Abkommen nur ratifizieren, wenn
von Seiten
der Partnerländer umsetzbare, überprüfbare und rechtliche verbindliche,
einklagbare
Verpflichtungen im Bereich des Umwelt-, Sozial-, und Klimaschutzes vereinbart
werden.
Gleichzeitig kann es für uns das Mercosur-Abkommen nur gemeinsam mit einer
gleichwertigen
Zusatzvereinbarung zum Schutz und Erhalt des Regenwaldes geben. Dadurch stellen
wir sicher,
dass unsere Partnerschaft mit Lateinamerika intensiviert und gleichzeitig
Menschenrechte
garantiert und das Weltklima geschützt werden.
Von Zeile 532 bis 533 einfügen:
und Tod
trifft.
Die EU und die Dual-Use-Herausforderung
Die rasante Entwicklung der technologischen Landschaft stellt die Europäische Union vor nie dagewesene Herausforderungen. Der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütern und strategischen Technologien kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Länder wie China, Russland und der Iran nutzen bestehende Schwachstellen in unserem Kontrollregime, um sich Zugang zu High-Tech-Produkten und Know-how zu verschaffen. Diese werden oft gegen die Interessen der EU und ihrer Verbündeten eingesetzt.Um diesem Trend entgegenzuwirken, setzen wir uns für die Einführung einer umfassenden strategischen Technologiedoktrin der EU ein. Diese sollte in enger Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten erarbeitet werden und sowohl sicherheitspolitische als auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen. Die Doktrin sollte klare Leitlinien für die Risikobewertung von Technologieexporten bieten, einschließlich möglicher militärischer Anwendungen und wirtschaftlicher Auswirkungen auf die europäische Souveränität.In einer neuen globalen Wirtschaftsordnung ist es von entscheidender Bedeutung, dass die EU eine ausgewogene Position vertritt, die sowohl unseren wirtschaftlichen als auch unseren sicherheitspolitischen Interessen Rechnung trägt. Es entspricht nicht unserem Interesse, zur militärischen Aufrüstung systemischer Rivalen wie China, Iran und Russland beizutragen oder unsere fortschrittlichen Technologien in einer Weise zu exportieren, die Menschenrechtsverletzungen ermöglichen könnte.Die EU muss daher ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den Vorteilen des Handels und der technologischen Zusammenarbeit mit diesen Ländern und den damit verbundenen Risiken erzielen. Dabei gilt es insbesondere, die Entstehung asymmetrischer Abhängigkeiten in kritischen Technologiebereichen zu verhindern. Ziel muss es sein, in Sicherheits-, Handels- und Technologiefragen nicht nur gegenüber China, sondern auch gegenüber anderen geopolitischen Akteuren wie der Iran und Russland kohärent Stellung zu beziehen. Auf diese Weise können wir gewährleisten, dass die EU-Mitgliedstaaten nicht dem Druck dieser externen Akteure ausgeliefert oder unterworfen sein müssen.Ein weiterer zentraler Baustein ist die Entwicklung eines gemeinsamen Risikorahmens für Exportkontrollen. Dieser Rahmen würde es den EU-Mitgliedstaaten ermöglichen, eine gemeinsame Risikobewertung der Ausfuhr von Technologie vorzunehmen. Ferner bildet er die Grundlage für eine bessere Harmonisierung der bestehenden Exportkontrollpolitiken zwischen den Mitgliedstaaten, um sicherzustellen, dass High-Tech-Produkte nicht ungewünschte Verwendung finden.Letztlich betonen wir die Notwendigkeit, neue wirtschaftliche Sicherheitsallianzen zu schmieden. Diese müssen sich auf strategische Technologiekontrolle und andere damit zusammenhängende Fragen konzentrieren und mit wichtigen Partnern, darunter die G7-Staaten und aufstrebende Technologiemächte wie Indien, geschlossen werden. Nur durch diese vielfältigen Ansätze kann die EU eine kohärente und effiziente Dual Use Export und Kontrolpolitik zu erreichen, die den europäischen Werten, außenpolitische Ziele und der gemeinsamen Sicherheit gerecht wird, ohne die technologische Entwicklung anderer Länder unnötig zu behindern.
Der russische Angriffskrieg auf unseren europäischen Nachbarstaat Ukraine hat
gezeigt:
Frieden und Freiheit, Sicherheit und Menschenrechte sind keine
Selbstverständlichkeit. Sie
müssen immer wieder aufs Neue verteidigt und gestärkt werden. Moskau hat das
Friedensprojekt
Europäische Union herausgefordert. Gemeinsam mit unseren ukrainischen
Freund*innen haben wir
diese Herausforderung angenommen – und halten stand.
Aber auch über die Ukraine hinaus nehmen die Spannungen weltweit zu. China tritt
immer
autoritärer auf und stellt die regelbasierte internationale Ordnung infrage.
Chinas
Konkurrenz mit den USA stellt auch unser Leben und Wirtschaften vor bedeutende
Herausforderungen. In Afrika, Asien und Südamerika fordern Staaten und
Gesellschaften
derweil zu Recht faire Mitsprache und einen gleichwertigen Platz an
Verhandlungstischen ein.
Diese Verschiebungen im globalen Machtgefüge fordern die EU heraus. Gemeinsam
mit den Folgen
der Pandemie, mit Inflation, Staatsschulden- und Klimakrise machen sie einmal
mehr deutlich:
Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um den Frieden in Europa zu schützen, um
Europa in der
Welt sicherer zu machen.
Gemeinsam sind wir handlungsfähig. Immer wieder hat Europa bewiesen, wie sehr es
in der Lage
ist, auch international für Frieden, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit zu
wirken. Es hat
bewiesen: Man kann Frieden lernen, stabilisieren und zum Wohle aller gestalten.
Das gibt
Hoffnung in schwierigen Zeiten: Eine EU, die auf der Weltbühne selbstbewusst
auftritt und
mit einer Stimme spricht, ist imstande, sich gegen Unfreiheit und Krieg zu
behaupten, unsere
Interessen und Werte zu verteidigen, Einflussnahme von außen abzuwehren, Zukunft
und Frieden
zu gestalten – und das Leben der Menschen spürbar zu verbessern. Dieses Europa
bietet
weltweit Perspektiven für politische und wirtschaftliche Entwicklung – und damit
ein
dringend benötigtes Gegenangebot zum Einfluss insbesondere Chinas und Russlands.
Das ist unsere Perspektive, das ist unser politischer Auftrag: die globale
Handlungsfähigkeit der EU zu verteidigen und zu stärken. Als viele noch von
„Wandel durch
Handel“ träumten, haben GRÜNE davor gewarnt, dass autokratische Regime wie
Russland im
Zweifelsfall gegen das Interesse ihrer eigenen Bürger*innen handeln, um ihre
imperialen
Ziele mit Gewalt durchzusetzen. Wir treten deshalb für ein souveränes und
selbstbewusstes
Europa ein, das nicht abwartet, sondern das Heft des Handelns in die Hand nimmt;
ein Europa,
das sich aus seinen Abhängigkeiten löst und global Verantwortung übernimmt. Eine
handlungsfähige EU, die auf eigenen Beinen steht, ist der beste Schutz gegen all
jene
Kräfte, die Isolation und Ausgrenzung heraufbeschwören, innerhalb und außerhalb
des
europäischen Bündnisses. Die EU kann dabei ihre Interessen vor allem dann
effektiv
durchsetzen, wenn sie zugleich ihre Werte in den Mittelpunkt stellt – der oft
behauptete
Widerspruch ist keiner.
Frieden und Freiheit erwachsen nicht aus Abschottung, sondern aus einem
wertegeleiteten und
fairen Umgang mit unseren Partnerinnen und Partnern. Das wichtigste Forum dafür
sind die
Vereinten Nationen (UN) und ihre Organisationen, die wir stärken und gerechter
gestalten
wollen. Sie sind der beste Weg zu einem Multilateralismus, in dem die Stärke des
Rechts
wirkt, nicht das Recht des Stärkeren.
Die EU muss in diesen herausfordernden Zeiten alle Möglichkeiten internationaler
Zusammenarbeit aktiv suchen und alle Kanäle der Kooperation nutzen, um den
Frieden zu
wahren, demokratische Kräfte zu stärken und Konflikten vorzubeugen. Die EU muss
aktiv um
Partnerschaften mit Ländern des Globalen Südens werben. Orientiert an den
Nachhaltigkeitszielen wollen wir globale Gerechtigkeit fördern.
Oft genug aber sitzen bei Verhandlungen vor allem Frauen nicht mit am Tisch. Das
macht es
schwerer, faire und tragfähige Lösungen zu entwickeln. Gesellschaften sind
nachweislich
friedlicher und wohlhabender, wenn alle Menschen am politischen, sozialen und
wirtschaftlichen Leben teilnehmen können. Frieden und Sicherheit sind
nachhaltiger, wenn
Frauen beteiligt sind. Deshalb setzen wir uns aktiv dafür ein, dass gerade auch
Frauen in
der Außenpolitik umfassend vertreten sind.
Das gilt umso mehr, da sich die existenziellste Herausforderung der Menschheit,
die
Klimakrise, nur global bewältigen lässt. Europa und die übrigen Industriestaaten
haben durch
ihre jahrzehntelangen Emissionen eine zweifache Verantwortung: Sie müssen im
ganz eigenen
Interesse selbst schnell klimaneutral werden und zugleich ärmere Länder auf
ihrem Weg zu
klimaneutralem Wohlstand partnerschaftlich unterstützen. Deswegen stellen wir
die
Klimadiplomatie ins Zentrum unseres Plans für eine europäische Außenpolitik und
damit die
Weichen für belastbare Partnerschaften – Partnerschaften, die auch dabei helfen
werden,
unsere Versorgung mit erneuerbaren Energien und Rohstoffen zu sichern. Dabei
muss die EU
auch weltweit gemeinsam mit der Privatwirtschaft einen entscheidenden Beitrag zu
den nötigen
Investitionen für eine klimagerechte Entwicklung leisten.
Im äußersten Fall müssen wir im Stande sein, unseren Frieden auch militärisch zu
verteidigen. Dies können wir besser, effizienter und wirkungsvoller tun, wenn
wir unsere
Sicherheitspolitik europäisch koordinieren. Dabei bleiben militärische Maßnahmen
für uns
Ultima Ratio: Wir wollen einen umfassenden Ansatz europäischer Außenpolitik, der
die
menschliche Sicherheit in den Mittelpunkt rückt – und auf Vorbeugung und zivile
Bearbeitung
von Krisen und Konflikten setzt. Wer dazu beiträgt, Frieden zu erhalten, beugt
der
Notwendigkeit vor, Frieden schaffen zu müssen – so schützt Europa. Wir denken
Sicherheit von
jedem einzelnen Menschen aus, dessen Würde und Freiheit im Zentrum unserer
Politik stehen.
Dieses Verständnis einer vorsorgenden und wertegeleiteten Sicherheitspolitik ist
Teil des
europäischen Versprechens.
Dessen Gewicht wiederum wird dort am deutlichsten, wo es Einladung ist und
Hoffnung gibt.
Das Streben vieler Ukrainer*innen danach, ihre Freiheit zu behaupten und Teil
der
europäischen Familie zu werden, mag von Wladimir Putin mit brutaler Waffengewalt
beantwortet
worden sein. Aber es lebt fort und beweist, welche Strahlkraft das europäische
Projekt über
die eigenen Grenzen hinaus entfalten kann. Wir bekennen uns zum Beginn des
ukrainischen
Beitrittsprozesses – und verstehen ihn zugleich als Anerkennung der
unermesslichen Leistung,
die das Land tagtäglich für unser aller Sicherheit und die europäischen Werte
erbringt.
Das Europa, das wir gestalten wollen, tut genau das. Es schützt und verteidigt
die eigenen
Werte. Es behauptet sich – und reicht zugleich anderen selbstbewusst die Hand.
An diesem
Europa wollen wir arbeiten. Dieses Europa wollen wir sein.
1. Eine europäische Außenpolitik
Gemeinsam außenpolitisch handeln
Wir benötigen eine starke und souveräne EU, die als weltpolitische Akteurin
agieren kann.
Bislang braucht es in der EU-Außenpolitik jedoch immer noch die Zustimmung aller
27
Mitgliedstaaten. Wir setzen uns für eine Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen
im Rat ein,
die dabei die Interessen der großen und der kleineren Mitgliedstaaten
berücksichtigt. Um das
zu erreichen, wollen wir die bestehenden Möglichkeiten innerhalb der
europäischen Verträge
nutzen und setzen uns gleichzeitig für Vertragsänderungen ein.
Unsere Werte und Interessen brauchen eine gemeinsame Stimme der EU – wir wollen
die
bestehende Rolle des Hohen Vertreters bzw. der Hohen Vertreterin für die Außen-
und
Sicherheitspolitik zu einer europäischen Außenministerin bzw. einem europäischen
Außenminister machen. Auch den Europäischen Auswärtigen Dienst wollen wir
stärken. Um eine
gemeinsame europäische Außenpolitik umzusetzen, braucht es einen echten
europäischen
diplomatischen Dienst. Deshalb wollen wir die Europäische Diplomatische Akademie
fest
verankern, um Kompetenzen im Bereich EU-Außenpolitik unter Diplomat*innen aus
den
Mitgliedstaaten auszubauen. Konsularische Dienste der Mitgliedsländer wie
Visafragen,
Rechtshilfe oder Anträge wollen wir vermehrt in den europäischen Botschaften
bündeln.
Das Klima global schützen
Die Klimakrise ist die zentrale globale Herausforderung unserer Zeit. Sie
bedroht die
Lebensgrundlagen in vielen Teilen der Welt und treibt Millionen Menschen in die
Flucht. Sie
verschärft Konflikte um knapper werdende Ressourcen wie Nahrungsmittel und
Wasser.
Kein Staat kann die Klimakrise alleine stoppen. Unser Ziel ist eine starke
europäische
Klimaaußenpolitik, die im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen steht. Wir
stehen für eine
EU, die weltweit Partnerschaften für die Minderung des CO2-Ausstoßes knüpft,
Partnerländer
beim klimaneutralen Auf- und Umbau ihrer Wirtschaftssysteme und
Energieversorgung sowie bei
der Anpassung an die unvermeidbaren Folgen der Klimakrise unterstützt. Als eine
der größten
Emittentinnen von Treibhausgasen weltweit muss die EU entsprechend der
Vereinbarung im
Pariser Klimaschutzabkommen dafür eintreten, dass rasch jährlich 100 Milliarden
US-Dollar
aus öffentlichen und privaten Quellen für Klimaschutz und Anpassung
zielgerichtet und im
Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der UN in Ländern des Globalen Südens
eingesetzt
werden. Ein Vorbild dafür sind sogenannte Just Energy Transition Partnerships,
die die
Bundesregierung gemeinsam mit weiteren internationalen Partnern bereits mit
mehreren Ländern
abgeschlossen hat. Sie machen Angebote für eine umfassende und sozial gerechte
Energiewende.
Wir unterstützen außerdem den internationalen Prozess zur Ausgestaltung eines
Loss-and-
Damage-Fonds, der die von den Auswirkungen der Klimakrise geschädigten
Gemeinschaften
finanziell angemessen unterstützen soll.
Unser Ziel ist es, die globale Energiewende zu beschleunigen und den Ausstieg
aus fossilen
Energien voranzutreiben. Wir setzen uns deshalb für ein verbindliches globales
Ziel für den
Ausbau erneuerbarer Energien und eine ambitionierte Klimafinanzierung ein. Dafür
braucht es
zusätzliche Mittel zur ODA-Quote. Die Europäische Investitionsbank (EIB) und die
Europäische
Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) müssen sich noch stärker
partnerschaftlich an
der Modernisierung der Wirtschaft unserer Partnerländern beteiligen.
Wir wollen den Team-Europe-Ansatz – die engere Zusammenarbeit zwischen
Kommission,
Mitgliedstaaten und EU-Finanzinstitutionen – stärken und ausbauen, um
internationale
Allianzen zu schmieden. Der im Rahmen der G7 angeregte Klimaclub kann dabei eine
zentrale
Rolle einnehmen, um internationale Strukturen im Rahmen des Pariser Abkommens zu
unterstützen und ambitionierte Ziele für Klimaschutz sowie nachhaltiges Wachstum
voranzutreiben. Mit der geplanten Strategie für Klimaaußenpolitik kann die
Bundesregierung
Deutschland zum Vorreiter machen. Das möchten wir zum Vorbild für Europa nehmen.
Wie die Klimakrise stellt auch der globale Arten- und Biodiversitätsverlust eine
enorme
Bedrohung dar. Deshalb wollen wir die Umsetzung des Biodiversitätsabkommens von
Kunming-
Montreal in Europa und weltweit fördern. Wir steigern das europäische Engagement
mit den am
stärksten von Biodiversitätsverlust betroffenen Ländern und unterstützen den
Schutz von
Flächen unter Wahrung der Rechte indigener Völker. Unser Ziel ist es, die
biologische
Vielfalt Europas und der Welt auf den Weg der Erholung zu bringen.
Global Gateway zum Erfolg bringen
In vielen Teilen der Welt, vor allem im Globalen Süden, gibt es einen gewaltigen
Investitionsbedarf, um Wachstum, Mobilität und Wohlstand unter der Bedingung der
Klimaneutralität zu erreichen. Auf diesen Bedarf antwortet bislang vor allem das
chinesische
Programm einer „neuen Seidenstraße“. Die europäische Global-Gateway-Strategie
wollen wir zu
einem geostrategischen Erfolgsprojekt machen, das Partnerländern eine
Alternative zur
chinesischen Politik anbietet, die durch starke finanzielle Abhängigkeiten
etabliert wird.
Durch gezielte Investitionen in die sozialökologische Modernisierung in unseren
Partnerländern wollen wir damit klimaneutralen Wohlstand schaffen, den Schutz
der
Menschenrechte stärken, Lieferketten diversifizieren und die Produktion von
grüner Energie
in unserer Nachbarschaft fördern.
Global Gateway kann aber nur zum Erfolg werden, wenn die EU das Programm mit
substanziellen
Mitteln ausstattet, die in Verbindung mit dem gehebelten privaten Kapital die
nötigen
Ressourcen bilden können. Um die Sichtbarkeit und Verbindlichkeit des Programms
weltweit und
innerhalb der EU zu verbessern, wollen wir eine Sondergesandte bzw. einen
Sondergesandten
dafür einrichten. Die EU muss für Global Gateway klare strategische Prioritäten
setzen und
alle Projekte auf der Basis von gleichberechtigter Zusammenarbeit mit den
Partnerländern
nach Beratung mit der lokalen Zivilgesellschaft erarbeiten. Maßstab sind für uns
hierbei die
Menschenrechte, die Agenda 2030 der UN sowie die Einhaltung der Ziele des
Pariser
Klimaabkommens. Zudem muss die EU-Kommission die Kohärenz und eine größere
Transparenz bei
der Auswahl der strukturpolitischen Projekte sowie bei ihrer Durchführung und
Evaluierung
sicherstellen.
Internationale Organisationen stärken
Die UN bleiben mit ihren Organisationen die Grundlage des Multilateralismus. Im
Fall des
russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat die internationale
Staatengemeinschaft in
der UN-Vollversammlung bewiesen, dass sie sehr wohl handlungsfähig ist, als eine
überragende
Mehrheit diesen brutalen Angriffskrieg mehrfach und deutlich verurteilte. Die EU
und ihre
Mitgliedstaaten leisten mehr als die Hälfte aller Beiträge zu multilateralen
Organisationen
wie dem UN-System. In den anstehenden Reformdiskussionen wollen wir durch ein
koordiniertes
Vorgehen der EU die UN und ihre Organisationen fit für die Zukunft machen. Dazu
gehört eine
Reform des Sicherheitsrats, in dem wir eine gerechtere Repräsentanz der
Weltregionen
gewährleisten wollen. Langfristig zielen wir darauf ab, das Vetorecht
abzuschaffen.
Bei der Weltbank, die mit der Evolution Roadmap ihren Reformprozess bereits
begonnen hat,
muss sich die EU für eine umfassende Erneuerung und Demokratisierung einsetzen,
um
angemessen auf die heutigen globalen und entwicklungspolitischen
Herausforderungen reagieren
zu können. UN-Sonderorganisationen wie das Flüchtlingshilfswerk UNHCR oder die
Gesundheitsorganisation WHO leisten vitale Hilfe, um Menschen in Not zu helfen.
Die EU muss
diese Organisationen deshalb weiter unterstützen und stärken.
Darüber hinaus setzen wir uns für eine aktive Personalpolitik der EU bei der
Besetzung von
Posten in internationalen Organisationen etwa bei der International
Standardization
Organisation (ISO) oder Weltbankgruppe ein.
Menschenrechte weltweit verteidigen
Weltweit werden vielerorts Oppositionelle verfolgt, der Handlungsspielraum von
Zivilgesellschaft und unabhängigen Medien eingeschränkt und Proteste
niedergeschlagen. Wir
setzen uns für Demokratie und Menschenrechte ein und stärken unabhängige Medien,
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Menschenrechts-Verteidiger*innen. Wir
wollen die
Fördermöglichkeiten ausbauen und die entsprechenden Schutzinstrumente und
Institutionen,
beispielsweise Sonderberichterstatter*innen und den Europäischen
Demokratiefonds, finanziell
stabilisieren und zugänglicher machen.
Der Zusammenarbeit mit Demokratien weltweit kommt bei der Förderung von Freiheit
und
Selbstbestimmung eine besondere Rolle zu. Wir unterstützen entsprechend der
Globalen
Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte die Verhängung von
gezielten
Sanktionen gegen staatliche wie nicht-staatliche Akteure, die für schwere
Menschenrechtsverletzungen und -verstöße verantwortlich oder an ihnen beteiligt
sind.
Menschenrechts-Verteidiger*innen riskieren viel. Sie bedürfen unseres Schutzes,
unserer
Solidarität und unserer aktiven Unterstützung. Die EU-Leitlinien zum Schutz von
Menschenrechts-Verteidiger*innen wollen wir konsequent umsetzen. Dabei ist eine
geschlechtsspezifische Perspektive wichtig, da Frauen und marginalisierte
Gruppen, etwa
Verteidiger*innen indigener Rechte, einem höheren Gewaltrisiko ausgesetzt sind.
Gefährdeten
Menschenrechts-Verteidiger*innen wollen wir in der EU mit einer schnelleren und
vereinfachten Visavergabe Schutz bieten. Wir setzen uns dafür ein, dass sich die
Auslandsvertretungen der EU für Menschenrechts-Verteidiger*innen stark machen.
Dazu gehört
etwa, Gerichtsverfahren von politischen Gefangenen zu beobachten, internationale
Sichtbarkeit zu schaffen, Soforthilfe bereitzustellen oder regelmäßigen
Austausch/regelmäßige Treffen durchzuführen. Nach Vorbild des kanadischen
Resettlement-
Programms setzen wir uns für ein europäisches Schutzprogramm von Menschenrechts-
Verteidiger*innen ein, das es ihnen ermöglicht, schnell und unbürokratisch
Schutz zu
erhalten und ihre Arbeit in sicherer Umgebung fortführen zu können.
Außen- und Entwicklungspolitik feministisch umsetzen
Gleichberechtigung macht Gesellschaften friedlicher, gerechter, nachhaltiger und
wirtschaftlich erfolgreicher. Sie ist fester Bestandteil der universellen
Menschenrechte.
Frauen und marginalisierte Gruppen sind in besonderem Maße von Gewalt, Armut und
Krieg, aber
auch von den Folgen der Klimakrise betroffen. Gleichzeitig sitzen oft nur wenige
von ihnen
mit am Tisch, wenn es darum geht, Lösungen für diese Krisen zu erarbeiten. Mit
der UN-
Resolution 1325 ist der Schutz von Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten sowie
ihre Teilhabe
bei Konfliktprävention und -bewältigung bereits international verankert. Wir
wollen
weitergehen. Wir setzen uns für eine feministische Außen- und
Entwicklungspolitik ein, die
Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen, Mädchen und marginalisierten
Gruppen in
allen Bereichen weltweit stärkt. Menschenrechtsbasiert hat sie die Überwindung
aller Formen
von Diskriminierung zum Ziel. Wir wollen sie als ein Leitprinzip der
Außenbeziehungen der EU
verankern. Die Leitlinien für die feministische Außenpolitik der Bundesregierung
sind
Vorbild für die Debatte auf europäischer Ebene.
Wir setzen uns dafür ein, den Frauenanteil in den außenpolitischen Institutionen
der EU
deutlich zu erhöhen, und dafür, dass die Perspektiven von Frauen und Mädchen bei
allen
internationalen Verhandlungen der EU einbezogen werden. Die Kapazitäten für
Gender und
Diversität in der EU-Diplomatie wollen wir stärken.
Wir fordern, dass die EU in ihren Außenbeziehungen weltweit zur Vorreiterin im
Kampf gegen
sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt wird. Nach dem Beitritt der EU
zur Istanbul-
Konvention verlangen wir deren konsequente Umsetzung durch die EU-
Mitgliedsländer. Auch
fordern wir die weltweite Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien gegen die
Diskriminierung und
für den Schutz der Menschenrechte von LGBTIQ*-Personen.
Wir wollen, dass die EU ihre Entwicklungspolitik nach den Grundsätzen
feministischer
Entwicklungszusammenarbeit partnerorientiert und nachhaltig ausrichtet. Sie muss
ihr selbst
gesetztes Ziel erreichen, dass bis 2025 85 Prozent der EU-Entwicklungsprogramme
auch zur
Geschlechtergerechtigkeit beitragen. Dazu soll die EU mehr Mittel für Projekte
zur Förderung
von Frauen bereitstellen, besonders im Bereich der Bildung sowie der sexuellen
und
reproduktiven Gesundheit. Zudem müssen intersektionale Perspektiven in den EU-
Aktionsplan
für die Gleichstellung der Geschlechter Eingang finden.
2. Eine europäische Sicherheitspolitik
Europa gemeinsam verteidigen
Russlands völkerrechtswidriger Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns deutlich
vor Augen
geführt, dass wir unsere Art zu leben im äußersten Notfall auch militärisch
verteidigen
können müssen. Die Zukunft der Bündnisverteidigung und der kollektiven
Reaktionsfähigkeit
liegen in der europäischen und transatlantischen Integration und
Interoperabilität unserer
Streitkräfte.
Je enger wir in der EU in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik
zusammenarbeiten, desto
besser, kosteneffektiver und wirksamer können wir die europäische
Verteidigungsfähigkeit
sicherstellen, gerade auch als Teil des transatlantischen Bündnisses (NATO). Der
strategische Kompass der EU und die Einbettung in das strategische Konzept der
NATO sind
dafür maßgebend.
Wir wollen daher weiter an einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsunion mit
einer starken
parlamentarischen Kontrolle arbeiten. Die verstärkte Zusammenarbeit der
Streitkräfte, zum
Beispiel innerhalb von permanenten EU-Einheiten, wollen wir ausbauen. Dabei sind
gemeinsame
Rahmenstandards und Arbeitsbedingungen für Soldat*innen notwendig. Wir wollen
die gemeinsame
EU-Kommandostruktur und europäische Militärkooperationsinitiativen vertiefen,
zum Beispiel
bei der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO).
Zivile und militärische Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GSVP) und deren Planungsstäbe stärken wir finanziell und
personell.
Diese Missionen müssen immer in ein politisches Gesamtkonzept eingebettet sein,
einer
kontinuierlichen Risikoanalyse unterliegen und sich am Leitbild der menschlichen
Sicherheit
orientieren. Gemeinsame EU-Auslandseinsätze sollten stärker vom Europäischen
Parlament
begleitet, kontrolliert und evaluiert werden. Wir verstetigen die Unterstützung
der Ukraine
im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität (EPF) und stärken deren Einheit für
Risikoanalyse und Rüstungskontrolle. Die Strukturen der EPF sollten so angepasst
werden,
dass die Verfügbarkeit der Mittel und die Planbarkeit der Ausgaben verbessert
werden.
Im Verteidigungssektor führt die unkoordinierte Beschaffung der EU-
Mitgliedstaaten zu
Überlappungen und damit zur Verschwendung von Steuergeldern in großem Maßstab.
Unser Ziel
ist eine gemeinsame europäische Entwicklung und Beschaffung von Rüstungsgütern.
Dafür bedarf
es finanzieller Anreize und Vertrauen, aber auch des politischen Willens, die
industriepolitischen Interessen der Mitgliedstaaten zugunsten von mehr
gemeinsamer
Sicherheit zurückzustellen. Die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) hat das
bisher nicht
im ausreichenden Maß bewerkstelligt. Wir teilen die Zielsetzung von bestehenden
Finanzinstrumenten wie dem European Defense Fund (EDF) oder der gemeinsamen
Beschaffung
(EDIRPA). Allerdings sind diese Instrumente unzureichend, rechtlich fragil und
die
parlamentarische Kontrolle stark eingeschränkt.
Deswegen wollen wir mittelfristig ein rechtssicheres außerbudgetäres
Finanzinstrument
schaffen, das die bestehenden Einzelprogramme ersetzt und den gesamten
militärischen
Fähigkeitszyklus abdeckt – von Forschung über Beschaffung bis hin zu
Instandhaltung und
Training. Die Ausgaben dieses Topfes müssen unter strenger und abgestimmter
Kontrolle des
Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente stehen.
Für einen gemeinsamen europäischen Rüstungsmarkt muss die EU-Kommission
Standardisierung,
Zertifizierung und Normierung betreiben, um die gemeinsame Einsatzfähigkeit von
Waffensystemen sicherzustellen. Bei allen diesen Schritten muss die
Komplementarität mit
Kommandostrukturen und Fähigkeiten der NATO gesichert bleiben.
Rüstungsexporte europäisch regulieren
Die gemeinsame Entwicklung, Anschaffung und Nutzung von europäischen
Waffensystemen schafft
mehr Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. Damit senkt sie auch den Druck, die
Waffensysteme an
Drittstaaten zu exportieren, und ist somit auch ein Beitrag für eine gemeinsame
wertebasierte Sicherheitspolitik. Für diese EU-Gemeinschaftsprojekte braucht es
einheitliche
und restriktive europäische Ausfuhrregeln. Wir wollen hierfür auf der Grundlage
des
gemeinsamen Standpunkts der EU eine Rüstungsexportkontrollverordnung
beschließen, die
Transparenz und Klarheit schafft sowie auf europäischen Werten und einer
gemeinsamen
Einschätzung der Sicherheitslage beruht. Es muss klare Entscheidungsmechanismen
und vor dem
Europäischen Gerichtshof (EuGH) einklagbare Sanktionsmöglichkeiten geben.
Vorangehende
Risikoanalysen sowie verbindliche und physische Endverbleibskontrollen müssen
dabei
vorgeschrieben werden. Europäische Waffen dürfen nicht weiter in die Hände von
Regimen
gelangen, die Menschenrechte systematisch verletzen oder diese für Verbrechen
der Aggression
nutzen. Wir setzen uns für ein Exportverbot für Überwachungstechnologien an
repressive
Regime und für ein weitgehendes Exportverbot für Kleinwaffen an Drittstaaten
ein.
Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global mehr Sicherheit für alle. Gerade
in
unsicheren Zeiten wollen wir die Rüstungskontrolle stärken und
Abrüstungsinitiativen
fördern. Die EU muss sich für eine Stärkung des Vertrags zur Nichtverbreitung
von Kernwaffen
(NVV) einsetzen und ihre Mitgliedstaaten zum schrittweisen Beitritt zum
Atomwaffenverbotsvertrag sowie zum Bekenntnis zu Vision Global Zero ermutigen.
Das Ziel
unserer Bemühungen bleibt eine atomwaffenfreie Welt. Die völkerrechtlichen
Bemühungen um
eine Regulierung von autonomen Waffensystemen unterstützen wir. Es darf keinen
Einsatz von
Waffensystemen geben, bei denen eine Maschine die letzte Entscheidung über Leben
und Tod
trifft.
Die EU und die Dual-Use-Herausforderung
Die rasante Entwicklung der technologischen Landschaft stellt die Europäische Union vor nie dagewesene Herausforderungen. Der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütern und strategischen Technologien kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Länder wie China, Russland und der Iran nutzen bestehende Schwachstellen in unserem Kontrollregime, um sich Zugang zu High-Tech-Produkten und Know-how zu verschaffen. Diese werden oft gegen die Interessen der EU und ihrer Verbündeten eingesetzt.Um diesem Trend entgegenzuwirken, setzen wir uns für die Einführung einer umfassenden strategischen Technologiedoktrin der EU ein. Diese sollte in enger Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten erarbeitet werden und sowohl sicherheitspolitische als auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen. Die Doktrin sollte klare Leitlinien für die Risikobewertung von Technologieexporten bieten, einschließlich möglicher militärischer Anwendungen und wirtschaftlicher Auswirkungen auf die europäische Souveränität.In einer neuen globalen Wirtschaftsordnung ist es von entscheidender Bedeutung, dass die EU eine ausgewogene Position vertritt, die sowohl unseren wirtschaftlichen als auch unseren sicherheitspolitischen Interessen Rechnung trägt. Es entspricht nicht unserem Interesse, zur militärischen Aufrüstung systemischer Rivalen wie China, Iran und Russland beizutragen oder unsere fortschrittlichen Technologien in einer Weise zu exportieren, die Menschenrechtsverletzungen ermöglichen könnte.Die EU muss daher ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den Vorteilen des Handels und der technologischen Zusammenarbeit mit diesen Ländern und den damit verbundenen Risiken erzielen. Dabei gilt es insbesondere, die Entstehung asymmetrischer Abhängigkeiten in kritischen Technologiebereichen zu verhindern. Ziel muss es sein, in Sicherheits-, Handels- und Technologiefragen nicht nur gegenüber China, sondern auch gegenüber anderen geopolitischen Akteuren wie der Iran und Russland kohärent Stellung zu beziehen. Auf diese Weise können wir gewährleisten, dass die EU-Mitgliedstaaten nicht dem Druck dieser externen Akteure ausgeliefert oder unterworfen sein müssen.Ein weiterer zentraler Baustein ist die Entwicklung eines gemeinsamen Risikorahmens für Exportkontrollen. Dieser Rahmen würde es den EU-Mitgliedstaaten ermöglichen, eine gemeinsame Risikobewertung der Ausfuhr von Technologie vorzunehmen. Ferner bildet er die Grundlage für eine bessere Harmonisierung der bestehenden Exportkontrollpolitiken zwischen den Mitgliedstaaten, um sicherzustellen, dass High-Tech-Produkte nicht ungewünschte Verwendung finden.Letztlich betonen wir die Notwendigkeit, neue wirtschaftliche Sicherheitsallianzen zu schmieden. Diese müssen sich auf strategische Technologiekontrolle und andere damit zusammenhängende Fragen konzentrieren und mit wichtigen Partnern, darunter die G7-Staaten und aufstrebende Technologiemächte wie Indien, geschlossen werden. Nur durch diese vielfältigen Ansätze kann die EU eine kohärente und effiziente Dual Use Export und Kontrolpolitik zu erreichen, die den europäischen Werten, außenpolitische Ziele und der gemeinsamen Sicherheit gerecht wird, ohne die technologische Entwicklung anderer Länder unnötig zu behindern.
Konflikten vorbeugen
Wir setzen uns für eine vorausschauende Außen- und Sicherheitspolitik ein, die
Konflikte
frühzeitig erkennt und ihnen begegnet. Wir wollen daher die EU-Mittel für
friedensfördernde
zivile Akteure umfassend aufstocken. Dabei muss die EU lokale
zivilgesellschaftliche
Konzepte und Akteure in der Friedensförderung stärker unterstützen und
Förderrichtlinien in
diesem Zusammenhang flexibilisieren. Die Fähigkeiten zur Friedenssicherung der
UN und der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie von
Regionalorganisationen wie der Afrikanischen Union wollen wir stärken.
Wir wollen zivile Missionen der GSVP als Instrument der EU-Außenpolitik durch
mehr
finanzielle Ressourcen und Personal stärken, um zum Beispiel die Polizei oder
das
Justizwesen in fragilen Staaten zu unterstützen. Mit rechtsstaatlichen und
bürgernahen
Institutionen können sie Vertrauen aufbauen und Konflikten vorbeugen. Eine
Neuausrichtung
der zivilen GSVP-Missionen auf Migrationsmanagement lehnen wir ab.
Durch eine Politik der Prävention leisten wir auch einen wichtigen Beitrag zur
Fluchtursachenbekämpfung. Gefestigte lokale Strukturen und funktionierende
staatliche
Institutionen mindern die Wahrscheinlichkeit von Konflikten, die menschliches
Leid erzeugen
und Menschen zum Verlassen ihrer Heimat zwingen.
Die europäischen und internationalen Organisationen im Bereich der humanitären
Hilfe wollen
wir stärken. Dazu zählen insbesondere eine bessere finanzielle Ausstattung sowie
effizientere Strukturen und Vergaberichtlinien der europäischen Organisation für
humanitäre
Hilfe ECHO. Auch die nationalen europäischen Hilfen wollen wir besser
koordinieren.
Schließlich wollen wir die europäischen Organisationen in der Nothilfe
verpflichten, stärker
auf geschlechterspezifische Bedürfnisse und die Bedürfnisse von marginalisierten
Gruppen zu
achten.
3. Globale Gerechtigkeit
Verlässliche Partnerin sein
Im Mittelpunkt unseres entwicklungspolitischen Engagements stehen für uns die
Menschen, die
wir bei ihrem Streben nach besseren Lebensverhältnissen vor Ort unterstützen
wollen. Damit
stehen wir für eine andere Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Schwellenländern
als
Autokratien. Chinas Entwicklungsinitiativen haben oft zum Ziel, einseitige
Abhängigkeiten zu
schaffen. Russland hat in seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die
Ukraine
gezeigt, dass es bereit ist, Hunger als Waffe einzusetzen. Wir wollen, dass die
EU aktiv den
Wettbewerb um die Partnerschaft mit dem Globalen Süden aufnimmt und den
begonnenen Weg eines
koordinierten Vorgehens mit den Mitgliedstaaten beim Aufbau von fairen
Partnerschaften
intensiviert. Dafür stehen wir auf europäischer Ebene ein. Dies muss auch dem
Erbe unserer
kolonialen Vergangenheit gerecht werden.
Wir wollen lokales Wissen und lokale Initiativen fördern, um den Aufbau von
Wirtschaftskreisläufen und sozialen Sicherungssystemen zu unterstützen. Dafür
wollen wir die
bestehenden Instrumente der europäischen Entwicklungszusammenarbeit im Dialog
mit unseren
Partnern weiterentwickeln. Dafür muss die EU lokale und zivilgesellschaftliche
Akteure in
Hochschulen, NGOs oder Start-ups stärken und Förderrichtlinien flexibilisieren.
Auch die
Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft gehört dazu. Wir setzen uns dafür ein,
dass
zivilgesellschaftliche und insbesondere Frauenrechtsorganisationen aus Ländern
des Globalen
Südens nach dem Vorbild des kanadischen Equality Fund direkt durch die EU
gefördert werden.
Angesichts der globalen Herausforderungen bedarf es substanzieller Mittel für
die
Entwicklungszusammenarbeit. Wir setzen uns dafür ein, dass alle EU-
Mitgliedstaaten das
gegebene Versprechen einlösen, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für
Entwicklungsfinanzierung (ODA-Quote) auszugeben. Es kommt aber nicht nur auf die
Quantität
der Unterstützung an, sondern auch darauf, Projekte partnerorientiert, schnell
und
unbürokratisch umzusetzen. Die Entwicklungsgelder müssen vor allem den
bedürftigsten Ländern
zukommen und zur Erfüllung der nachhaltigen Entwicklungsziele sowie des Pariser
Klimaabkommens beitragen. In Kooperation mit den Partnerstaaten wollen wir auch
die soziale
Absicherung der Menschen stärken. Wir unterstützen den Aufbau sozialer
Sicherungssysteme als
nachhaltiges Instrument gegen Armut.
Noch allzu häufig arbeiten EU-Kommission und Mitgliedstaaten im
entwicklungspolitischen
Bereich nebeneinanderher. Wir unterstützen deswegen den Team-Europe-Ansatz, der
in
Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft eine bessere sektorübergreifende
Koordinierung,
Kohärenz, Sichtbarkeit und Effektivität anstrebt. Um Kohärenz und Transparenz zu
erhöhen,
setzen wir uns für sektorübergreifende Evaluierungen und einen
Transparenzmechanismus für
öffentliche Entwicklungszusammenarbeit in der EU ein. Das Europäische Parlament
wollen wir
in entwicklungspolitische Entscheidungsprozesse besser einbeziehen.
Ernährung global sichern
Die multiplen Krisen unserer Zeit, allen voran die Klimakrise, bedeuten
existenzielle
Herausforderungen für die Ernährungssicherheit weltweit. Die EU muss sich für
ein
nachhaltiges und resilientes globales Ernährungssystem einsetzen und damit zur
Umsetzung des
Rechts auf Nahrung beitragen.
Eine resiliente und produktive ökologische Landwirtschaft mit starken regionalen
Märkten ist
das beste Mittel, um die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegen politische
Krisen und die
Folgen des Klimawandels zu machen. Projekte der europäischen
Entwicklungszusammenarbeit
sollen verstärkt wirtschaftlich tragfähige und ökologisch nachhaltige
Anbausysteme mit
möglichst geschlossenen Nährstoffkreisläufen fördern. Europäische
Agrarsubventionen,
patentiertes Saatgut und Landraub dürfen nicht länger kleinbäuerliche Strukturen
und Märkte
in Ländern des Globalen Südens unterminieren und einseitige, teure
Abhängigkeiten schaffen.
Viele traditionelle Anbaumethoden geraten immer mehr unter Druck. Wir wollen den
Auf- und
Ausbau lokaler Saatgutbanken fördern, damit traditionelles Wissen und die
biologische
Vielfalt erhalten und zugänglich bleiben. Wir wollen uns im Rahmen der EU für
striktere
Mechanismen zur Verhinderung von exzessiven Nahrungsmittelspekulationen, vor
allem in
Notsituationen, einsetzen. Exporte von chemisch-synthetischem Dünger und
Pestiziden, die in
der EU verboten sind, wollen wir beenden.
Die Förderung nachhaltiger Landwirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern
muss dabei
im Rahmen von umfassenden Strategien zur Stärkung von Ernährungssystemen
umgesetzt werden,
inklusive Zugang zu Technologien, Infrastrukturen, Märkten und Finanzmitteln.
Globale Verantwortung annehmen
Noch immer belastet das Erbe der Kolonialzeit die Beziehungen zwischen Europa
und ehemaligen
Kolonien. Es zeigt sich etwa in der ungleichen globalen Vermögensverteilung, in
wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnissen oder fehlender Repräsentanz. Die
Mitgliedstaaten
der EU müssen sich ihrer historischen Verantwortung stellen, die sich aus den
Verbrechen der
Kolonialgeschichte ergibt, und Machtungleichgewichte in den Blick nehmen. Dafür
braucht es
eine antirassistische Perspektive.
Wir wollen benachteiligende Klauseln in Handelsabkommen korrigieren und Reformen
bei den
Entwicklungsbanken vorantreiben. In internationalen Natur- und
Umweltschutzabkommen wollen
wir die Menschen- und Landrechte indigener und lokaler Gemeinschaften besser
achten. Die
europäische Entwicklungszusammenarbeit wollen wir in Kooperation mit
Partnerländern und
Zivilgesellschaft im Sinne einer kritischen Reflexion von Machtverhältnissen
kontinuierlich
evaluieren und weiterentwickeln.
Viele Entwicklungs- und Schwellenländer befinden sich in einer Schuldenkrise,
die ihre
Handlungsmöglichkeiten für sozialökologische Modernisierungsprozesse massiv
einschränkt. Die
EU und ihre Mitgliedstaaten müssen sich für solide Schuldenrestrukturierungen
und
Schuldenerlasse für besonders belastete Länder einsetzen. Dazu muss auch ein bei
den UN
angesiedeltes, transparentes und unabhängiges Schuldenrestrukturierungsverfahren
für Staaten
unter Einbezug von privaten Gläubiger*innen gehören. Wir wollen verhindern, dass
europäische
Rechtsräume zur Geldwäsche oder für die Steuervermeidung missbraucht werden, was
die
finanziellen Handlungsspielräume von Ländern des Globalen Südens weiter
einschränkt.
4. Fairer Handel
Mit Handel Wohlstand schaffen
Handel fördert den Austausch zwischen Menschen und Gesellschaften und kann
Wohlstand mehren.
Das hat die EU selbst gezeigt, deren Binnenmarkt sie bis heute als eine
wesentliche Säule
trägt. Besonders in Deutschland hängt unser Wohlstand aufgrund der starken
Exportorientierung unserer Wirtschaft von einem gut funktionierenden globalen
Handel ab. Es
ist daher eine politische Aufgabe der EU, ihren wirtschaftlichen und politischen
Einfluss so
zu nutzen, dass sie durch Handelspolitik Wertschöpfung fördert und zusätzlich
weltweit
Standards für soziale Gerechtigkeit, Klima- und Naturschutz sowie Menschenrechte
beeinflusst. Auf diese Weise schützen wir auch unsere eigenen Standards vor
einem
Unterbietungswettbewerb und wirken damit im Sinne unserer Werte und Interessen.
Die Krisen der letzten Jahre, Pandemie, Extremwetter und Krieg, haben gezeigt,
dass wir
Risiken bei Lieferketten und dem Zugang zu Rohstoffen reduzieren müssen. Eine
vorausschauende, offene Handelspolitik, die zuverlässige Partnerschaften knüpft,
liefert
dazu einen wichtigen Beitrag. Dazu müssen wir europäische Unternehmen dabei
unterstützen,
ihre Investitionstätigkeiten und Wertschöpfungsketten breiter zu streuen.
Handelsinstrumente neu ausrichten
Globaler Handel braucht globale Regeln. Die Welthandelsorganisation (WTO) ist
der
bestmögliche Rahmen, um diese Regeln zu formulieren, zu überprüfen und
eventuelle
Streitigkeiten auszutragen. Wir wollen die WTO grundlegend reformieren, damit
sie dieser
Rolle wieder gerecht werden kann. Dabei müssen auch gute Arbeitsstandards,
Klima- und
Umweltschutz, Zugang zu Gesundheitsprodukten und grünen Technologien sowie eine
faire
Entwicklung in das Zentrum der globalen Handelspolitik gestellt werden.
Doch die WTO ist aufgrund der angespannten geopolitischen Lage aktuell kaum noch
handlungsfähig und die Bereitschaft zu einer Reform global gesehen gering. Wir
setzen daher
verstärkt auf regionale Handelsabkommen auf Augenhöhe mit Partnern wie
Australien, Indien,
den Ländern Lateinamerikas oder der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN,
die sich
ebenfalls zu einem regelbasierten Welthandel bekennen.
Wir setzen uns dafür ein, dass Nachhaltigkeitsziele und Menschenrechte in alle
zukünftigen
internationalen Handelsabkommen aufgenommen und einklagbar werden. Im Falle
eklatanter
Missachtung der Menschenrechte oder bei Verstößen gegen das Pariser
Klimaabkommen, sollte
die EU konsequent von diesen Klauseln Gebrauch machen oder das Abkommen
aussetzen. Das
kürzlich abgeschlossene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland ist
ein Vorbild
für einklagbare Nachhaltigkeitsstandards.
Wir wollen das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des
geistigen Eigentums
(TRIPS) neu ausrichten. Damit werden wir den Transfer von klimafreundlichen
Technologien und
wichtigen Gesundheitstechnologien aus dem Globalen Norden in den Süden
unterstützen, um die
Entwicklung der dortigen Wirtschaft zu fördern und weltweite Emissionen zu
senken.
Die Digitalisierung kann global gerechten Handel wesentlich vereinfachen, etwa
indem sie die
Überwachung der Lieferketten automatisiert. In den Handelsabkommen der EU und in
ihren
Handelsinstrumenten müssen der digitale Handel von Gütern und Dienstleistungen,
geistige
Eigentumsrechte, Datenschutz und Netzneutralität stets mitgedacht werden. Dies
erfordert
eine Überarbeitung der europäischen Handelsinstrumente in den Bereichen
Datenbestimmungen,
Datenlokalisierung, Forschung und Entwicklung, nationale Steuersysteme und
digitaler
Binnenmarkt.
Zudem wollen wir die demokratische Kontrolle von Handelsabkommen verbessern. Vor
Beginn der
Verhandlungen sollte das Europäische Parlament das Verhandlungsmandat gemeinsam
mit dem Rat
der EU bestimmen.
Wenn EU-Industrien durch unfaire Handelspraktiken geschädigt werden, müssen
handelspolitische Schutzinstrumente der EU eine wirksame Antwort bieten, um den
fairen
Wettbewerb zu schützen. Umgekehrt wollen wir gerade weniger industrialisierten
Staaten einen
offenen Dialog anbieten und ihnen in Handelsabkommen eine faire Chance zu einer
Industriepolitik mit dem Ziel eigener Wertschöpfung einräumen. In diesem Bereich
haben wir
durch eine stetige Erweiterung unseres handelspolitischen Werkzeugkastens schon
vieles
erreicht. Zum Beispiel durch das Instrument gegen Zwangsmaßnahmen (Anti-
Coercion-
Instrument), mit dem sich die EU gegen einseitige Zwangsmaßnahmen von
Handelspartnern wehren
kann.
Im Einklang mit dem Klima handeln
Wir wollen unsere Wirtschaft klimaneutral umbauen und zu einer starken
Kreislaufwirtschaft
weiterentwickeln. Dazu gehört, mit unseren Handelspartnern gemeinsam Standards
zu
entwickeln, damit globale Märkte für grüne Produkte wie klimaneutralen Stahl
entstehen
können.
Die Einführung des Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) ist ein wichtiger Schritt,
um eine
faire CO2-Bepreisung im Welthandel einzuführen und das EU-Emissionshandelssystem
zu ergänzen
und abzusichern. Dadurch werden Importe von bestimmten Produkten wie etwa Stahl
oder Zement
aus Ländern ohne Emissionshandel teurer, wenn diese in klimaschädlichen
Verfahren
hergestellt werden. Der CBAM unterstützt damit auch die Modernisierung unserer
Industrie,
indem er beispielsweise die Produzenten von grünem Stahl vor außereuropäischer
Konkurrenz
durch fossil hergestellten Stahl schützt und einen fairen Wettbewerb
sicherstellt.
Es ist wichtig, dass wir Investitionen in fossile Brennstoffe und andere
klimaschädliche
Aktivitäten beenden und stattdessen Anreize für nachhaltige Investitionen
setzen. Dies
erfordert eine grundlegende Änderung des Modells für bilaterale EU-
Investitionsverträge. Der
Ausstieg aus dem klimaschädlichsten Investitionsschutzvertrag der Welt – dem
Energiechartavertrag – von Deutschland und anderen EU-Ländern ist ein großer
Erfolg. Wir
kämpfen jetzt folgerichtig für einen Austritt der gesamten EU aus dem
Energiechartavertrag.
Das Gesetz zu entwaldungsfreien Lieferketten ist ein wichtiger Baustein bei dem
Ziel, die
gravierenden Abholzungsraten weltweit zu bekämpfen.
Auf faire Partnerschaften setzen
Als globale Wirtschaftsakteurin muss die EU bei einer zukunftsorientierten
Handelspolitik
Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit ins Zentrum rücken. Die Gesetze zur
Regulierung der
europäischen Lieferketten sind ein wichtiger Hebel, um diese Ziele zu erreichen.
Damit
übernimmt die EU Verantwortung dafür, weltweit effektiv Sozial- und
Umweltdumping
zurückzudrängen.
Die Ratifizierung und Umsetzung der Kernarbeitsnormen der Internationalen
Arbeitsorganisation (ILO) sollte als Mindestanforderung für jedes
Handelsabkommen angesehen
werden. Handelsabkommen müssen auch die Anliegen von indigenen Völkern und
Gemeinschaften
vor Ort berücksichtigen und ihre Rechte schützen.
Es gibt derzeit mehr als 25 Millionen Zwangsarbeiter*innen auf der Welt.
Produkte aus dieser
heutigen Art der Sklaverei haben auf dem EU-Binnenmarkt nichts verloren. Das EU-
Importverbot
für Produkte aus Zwangsarbeit, welches gerade verhandelt wird, muss daher
konsequent
umgesetzt werden.
Die Wirtschaftsbeziehungen mit Entwicklungs- und Schwellenländern müssen wir
fair gestalten.
Die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit den Staaten Afrikas, der Karibik
und des
Südpazifiks wollen wir im Sinne eines fairen und entwicklungsorientierten
Handels
überprüfen. Dazu gehört es, die besonderen Vorteile der Least Developed
Countries, die es
diesen Ländern erlauben, Waren zollfrei in die EU einzuführen, auch als Teil von
EPAs zu
garantieren und den Staaten des Globalen Südens eine aktive Industriepolitik zu
ermöglichen.
5. Mehr EU in Europa
Erweiterungsperspektiven
Die Erweiterung der EU ist eine Erfolgsgeschichte und liegt in unserem ureigenen
Interesse.
Sie stärkt unsere Sicherheit, unsere Stabilität und unseren Wohlstand. Deswegen
ist es
unsere Verantwortung, die Kandidatenländer aktiv zu unterstützen. Klare
Kriterien für den
Beitritt wollen wir in einem fairen Beitrittsprozess mit verbindlichen Angeboten
der
Zusammenarbeit verknüpfen. Damit eine erweiterte EU handlungsfähig bleibt, muss
sie ihre
Strukturen reformieren: Erweiterung und Reformen müssen Hand in Hand gehen.
Alle Kandidatenstaaten müssen die Kopenhagener Kriterien, die Beitrittskriterien
der EU,
ohne Abstriche erfüllen und das gemeinsame Recht der EU, den acquis
communautaire,
vollumfänglich übernehmen.
Indem wir die EU-Erweiterung schrittweise voranbringen, dynamisieren wir den
langwierigen
und oft schwerfälligen Beitrittsprozess und sichern die Glaubwürdigkeit des
europäischen
Projekts. Es muss deutlich sichtbarerer werden: Allein das Reformtempo in den
Beitrittsländern bestimmt das Beitrittstempo. Deswegen wollen wir den
Beitrittsprozess mit
sichtbaren Zwischenschritten gestalten und diese mit positiven Anreizen
anerkennen, zum
Beispiel dem Zugang zu Roaming, Erasmus+ oder Teilen des Binnenmarkts. Ein
Stillstand der
Verhandlungen über einen längeren Zeitraum oder gar Rückschritte sollten im
Umkehrschluss zu
einem Wegfall der Vorteile führen. Ein Fokus im Beitrittsprozess muss auf dem
Kampf gegen
Korruption und Organisierte Kriminalität liegen. Dazu wollen wir die Mandate der
EU-
Antikorruptionsbehörde OLAF und der Europäischen Staatsanwaltschaft auf die
Beitrittskandidaten und die von ihnen eingesetzten EU-Mittel ausweiten.
Zentral ist für uns auch die Stärkung der Zivilgesellschaften in den
Beitrittsstaaten, ihre
Vernetzung untereinander und mit den Mitgliedstaaten der EU. Auf dem Weg in die
EU ist uns
eine enge Zusammenarbeit mit allen demokratischen Kräften der Beitrittsländer
auch jenseits
der Regierungen wichtig. Regierungsvertreter*innen der Beitrittsländer sollen an
ausgewählten Sitzungen des Rats der EU teilnehmen können.
Westbalkanstaaten
Die Zukunft der sechs Westbalkanstaaten Albanien, Bosnien und Herzegowina,
Kosovo,
Montenegro, Nordmazedonien und Serbien liegt in der EU.
Das Versprechen eines EU-Beitritts ist weiterhin ein wichtiger Motor für den
sensiblen
Friedens- und Aussöhnungsprozess in den Ländern des Westbalkans. Dieses
Beitrittsversprechen
darf die EU nicht aufs Spiel setzen. Der Beginn der Beitrittsgespräche mit
Albanien und
Nordmazedonien, der Kandidatenstatus für Bosnien und Herzegowina sowie die
Visaliberalisierung für Kosovo sind wichtige Fortschritte auf dem Weg in die EU.
Gleichzeitig bleiben die Herausforderungen angesichts von Korruption,
Organisierter
Kriminalität, schwacher rechtsstaatlicher Strukturen und teils unzureichender
Aufarbeitung
der Kriegsverbrechen groß. Bei deren Bewältigung wollen wir die Staaten im
Beitrittsprozess
intensiv unterstützen. Die Zivilgesellschaften der Region wollen wir noch besser
fördern,
besonders auch die grenzüberschreitende Jugendarbeit in der Region stärken und
eine
inklusive Erinnerungskultur unterstützen. Im Rahmen der Grünen Agenda für den
Westbalkan
wollen wir die Region beim Ausbau guter Arbeitsplätze, erneuerbarer Energien und
nachhaltiger Investitionen schnell und effektiv unterstützen.
Ukraine
Die Ukraine steht in der Mitte der europäischen Familie. Ihr Platz ist in der
EU. Millionen
Ukrainer*innen stellen sich täglich dem völkerrechtswidrigen russischen
Angriffskrieg mutig
entgegen: Sie wehren sich gegen den brutalen Versuch Russlands, ihr Land zu
unterwerfen und
ihre Kultur auszulöschen, das Völkerrecht und die europäische Friedensordnung zu
zerstören.
Wir setzen uns dafür ein, dass die EU in ihrer humanitären, politischen,
finanziellen und
auch militärischen Unterstützung der Ukraine nicht nachlässt. Wir werden die
Ukraine
weiterhin entschlossen unterstützen, damit sie ihre Souveränität und volle
territoriale
Integrität wiedererlangen und verteidigen kann. Wir stehen fest an der Seite der
Ukraine,
ihrer Menschen und ihres Rechts auf Freiheit, Selbstbestimmung und
Selbstverteidigung und
unterstützen den Wunsch zu einem nachhaltigen Frieden und zu robusten,
zuverlässigen
Sicherheitsgarantien.
Auch auf dem Weg in die EU werden wir die Ukraine umfassend unterstützen. Beide
Seiten
profitieren von einem geordneten und zügigen Beitrittsprozess. Wir setzen dabei
auf
Transparenz, Rechtsstaatlichkeit, konsequente Korruptionsbekämpfung und eine
aktive Rolle
der Zivilgesellschaft und der regionalen und kommunalen Ebene.
Wir setzen uns dafür ein, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten den Wiederaufbau
der Ukraine
finanziell, technisch und mit Investitionen engagiert unterstützen. Dazu bedarf
es auch
großer finanzieller Anstrengungen und erheblich beschleunigter Verfahren, um
schnelle
Ergebnisse zu erzielen und das Land gegen die russischen Angriffe zu stärken.
Wir setzen auf vielfältige internationale Ermittlungs- und Justizorgane, die
russische
Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen einschließlich des
Verbrechens des
Aggressionskriegs aufklären und bestrafen. Ein internationaler Mechanismus soll
über die
Wiedergutmachung der Sach- und Personenschäden durch Russland an die Ukraine
entscheiden und
so eine Rechtsgrundlage zur Heranziehung Russlands zur Finanzierung des
Wiederaufbaus der
Ukraine schaffen.
Die Wirtschaft der Ukraine ist durch den Krieg massiv geschwächt. Wir möchten,
dass die EU
die Wirtschaft der Ukraine durch Makrofinanzhilfen weiter stabilisiert und diese
als Zeichen
der Solidarität und als Beitrag zur europäischen Sicherheit fortsetzt. Dazu
gehört auch, den
Ausbau alternativer Exportwege für ukrainische Agrarprodukte jenseits des
Schwarzen Meeres
(solidarity lanes) weiter voranzutreiben. Das hilft der Ukraine wirtschaftlich
und trägt zur
globalen Ernährungssicherung bei.
Georgien und Moldau
Die Zukunft Moldaus und Georgiens liegt in der EU. Beide Länder sind seit Langem
Ziel von
militärischer Aggression und Destabilisierungsversuchen Russlands. Diese sind
seit Beginn
des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine intensiviert worden. Wir stehen
entschlossen
zur Souveränität und territorialen Integrität der beiden Länder. Wir werden
Moldau und
Georgien auf ihrem Weg in die EU tatkräftig unterstützen, gleichzeitig aber auch
die dafür
nötigen Reformen einfordern. Insbesondere Moldau hat als EU-Beitrittskandidat
seit 2020
einen mutigen und ambitionierten Reformkurs eingeschlagen, den wir konsequent
unterstützen.
Europäische Nachbarschaft
Die europäische Familie ist größer als die EU. Wir möchten eine EU, die
konstruktiv mit
ihren europäischen Nachbarn zusammenarbeitet.
Die Zusammenarbeit der EU mit dem Europarat bei der Förderung und Verteidigung
von
Demokratie und Menschenrechten auf dem europäischen Kontinent möchten wir
intensivieren.
Wir begrüßen die Europäische Politische Gemeinschaft als eine Plattform zur
engeren
Zusammenarbeit mit europäischen Staaten, unabhängig davon, ob diese eine EU-
Mitgliedschaft
anstreben oder nicht. Insbesondere im Bereich Energie ist diese Zusammenarbeit
im
ausgeprägten europäischen Interesse.
Wir möchten, dass die EU und das Vereinigte Königreich weiter konstruktiv daran
arbeiten,
ihre Beziehungen nach dem Brexit wieder zu intensivieren. Eine enge
wirtschaftliche und
militärische Zusammenarbeit von EU und Vereinigtem Königreich ist im
beiderseitigen
Interesse. Wir begrüßen, dass das Vereinigte Königreich wieder in das EU-
Forschungsprogramm
Horizont Europa einsteigt. Gleichzeitig erwarten wir, dass die britische
Regierung
praktische Hürden beim Austausch und der Zusammenarbeit mit der EU, zum Beispiel
bei den
Studierenden-Visa, möglichst rasch abbaut.
Die OSZE wollen wir angesichts der Herausforderungen durch den russischen
Angriffskrieg
gegen die Ukraine als wichtiges Forum für Dialog und Krisenprävention bewahren.
Sie kann in
der Gestaltung der Nachkriegsordnung in Osteuropa eine zentrale Rolle spielen.
Türkei
Die Türkei und die EU – und dabei ganz besonders Deutschland – verbindet eine
langjährige
Freundschaft und Partnerschaft, die sich in engen gesellschaftlichen,
kulturellen und
wirtschaftlichen Beziehungen niederschlägt. Wir glauben, dass eine demokratische
Türkei, in
der die Rechte aller ihrer Bürger*innen geachtet werden, einen festen Platz in
der
europäischen Familie hat.
Derzeit sieht die politische Realität leider anders aus: Die türkische Regierung
hat sich in
den vergangenen Jahren immer weiter von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten
entfernt.
Mit einer aggressiven Außen- und Regionalpolitik richtet sich Ankara zum Teil
offensiv gegen
europäische Interessen. Die anfängliche Blockade des schwedischen NATO-Beitritts
oder die
völkerrechtswidrige Militäroffensive in Nordsyrien zeigen zugleich, was für eine
schwierige
Partnerin die Türkei für Europa und die NATO in der aktuellen Sicherheitslage
ist.
Gleichzeitig hat sie sich als Vermittlerin im Krieg gegen die Ukraine und
darüber hinaus
engagiert.
Die Türkei bleibt trotz dieser ambivalenten Rolle eine strategische Partnerin
für die NATO,
für Europa und für Deutschland. Diesem Dilemma stellt sich eine aktive GRÜNE
Außenpolitik.
Für uns kann es eine Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt erst
dann wieder
geben, wenn die Türkei glaubhaft den Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
einschlägt.
Wir unterstützen die Zusammenarbeit in den Bereichen, in denen sie notwendig und
möglich
ist, etwa zur Sicherheit im Schwarzen Meer oder bei der Bekämpfung des
Klimawandels. Der
autoritären Politik und nationalistischen Rhetorik aber, die sich offen gegen
die EU, gegen
die Sicherheit von türkischen Oppositionellen in der EU, gegen Kurd*innen und
andere
Minderheiten oder gegen Menschenrechts-Verteidiger*innen im eigenen Land wenden,
treten wir
entschieden entgegen. Die türkische Regierung muss die unzähligen politischen
Gefangenen aus
der Haft entlassen und den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte Folge
leisten.
Wir stehen weiterhin fest an der Seite der vielen Türk*innen, die sich für
Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit engagieren. Wir möchten, dass die EU die türkische
Zivilgesellschaft,
die sich für einen demokratischen Wandel einsetzt, besonders unterstützt.
6. Ein starkes Europa in der Welt
Die östliche Nachbarschaft der EU
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist eine Zäsur für die EU und unseren
Kontinent.
Die EU ist aufgefordert, neue Antworten auf ihre Nachbarschaft zu einem
feindseligen
Russland zu finden. Für unsere osteuropäischen Partner der EU braucht es
zielgerichtete
Politiken einer neuen EU-Politik für Osteuropa und Zentralasien, die besonders
die
veränderten Sicherheitsinteressen unserer Partner in den Blick nehmen.
Gleichzeitig müssen
wir die demokratischen Reformkräfte und Zivilgesellschaften in den durch
russische
Einmischung bedrohten europäischen Nachbarstaaten Russlands besonders
unterstützen.
Wir stehen fest an der Seite der mutigen Menschen, die sich in Belarus seit den
Protesten
rund um die gefälschten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 unermüdlich für
Demokratie und
Menschenrechte in ihrem Land einsetzen. Wir werden uns weiterhin solidarisch und
mit
Nachdruck für die Unterstützung der belarusischen Zivilgesellschaft und
Opposition, die
Freilassung aller politischen Gefangenen, die Sanktionierung des belarusischen
Regimes und
für freie und faire Wahlen im Land einsetzen.
Diktator Lukaschenka und sein Regime haben sich in Belarus und durch die
Unterstützung des
russischen Angriffskriegs in der Ukraine schwerer Menschenrechtsverletzungen und
Kriegsverbrechen schuldig gemacht. Dafür müssen sie zur Rechenschaft gezogen
werden. Wir
setzen uns insbesondere dafür ein, dass die EU die Sammlung und Sicherung von
Beweismaterial
unterstützt.
Die EU kann und sollte sich stärker in allen Ländern des Südkaukasus engagieren
und
bestehende Demokratiebewegungen und die Zivilgesellschaft aktiv unterstützen.
Armeniens Weg
für mehr politische Teilhabe und persönliche Freiheiten wurde durch russischen
Druck und den
Krieg um Bergkarabach massiv erschwert. Wir begrüßen daher die EU-
Beobachtungsmission in
Bergkarabach als wichtigen Schritt, den fortwährenden Konflikt zwischen
Aserbaidschan und
Armenien zu befrieden. Die EU kann hier als stabilisierender Mittler agieren und
dadurch
zugleich die demokratischen Reformkräfte Armeniens stärken.
Putin und sein Machtregime haben Russland in eine totalitäre Diktatur gewandelt.
Sicherheit
in Europa kann es aktuell nur vor Russland geben – und nicht mit Russland.
Gewalt, Lüge,
Korruption und Willkür prägen die politische Realität. Die Zivilgesellschaft
wurde mundtot
gemacht, die Opposition befindet sich entweder im Exil oder in politischer
Gefangenschaft.
Wir werden uns weiterhin für die Freilassung aller politischen Häftlinge
einsetzen. Wir
sehen uns als Freunde und Partner derer, die ein freies, friedliches und
demokratisches
Russland wünschen. Wir verstehen uns als harte Widersacher all jener, die das
verbrecherische Regime um Putin stützen. Wir unterstützen daher die europäische
Sanktionspolitik gegen das Regime und seine Vertreter*innen. Wirtschafts- und
handelspolitische Normalität kann es mit diesem Russland nicht geben.
Wir begrüßen den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den
russischen
Präsidenten. Er hat sich schlimmster Menschenrechtsverbrechen schuldig gemacht
und muss
dafür mit voller Härte des Rechts zur Rechenschaft gezogen werden.
Transatlantische Beziehungen
Mit keinem Land außerhalb Europas verbindet uns Europäer*innen zugleich eine so
tiefe
gemeinsame Geschichte und eine so starke Partnerschaft wie mit den USA. Die USA
haben nach
dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des Kalten Kriegs maßgeblich zur politischen
Einigung auf
dem europäischen Kontinent und zur Wiedervereinigung Deutschlands beigetragen.
Die transatlantischen Beziehungen sind aber auch von zentraler Bedeutung für
unsere
europäische Gegenwart und Zukunft. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die
Ukraine haben
die USA mehr als jedes andere Land dazu beigetragen, die Friedensordnung in
Europa zu
verteidigen und die politische Einheit der europäisch-atlantischen Allianz zu
sichern. Die
derzeitige US-Administration ist ein strategischer Partner: für unsere
Sicherheit, für die
klimagerechte Erneuerung unseres Wohlstands und für die Selbstbehauptung der
liberalen
Demokratie.
Gemeinsam sind wir stärker in der systemischen Auseinandersetzung mit China,
Russland und
anderen autoritären und totalitären Regimen. Gemeinsam können wir globale
Wertepartnerschaften und multilaterale Foren und Vereinbarungen sichern und
ausbauen.
Gemeinsam können wir die globale Handelsordnung gestalten und den klimaneutralen
Umbau
unserer Industrien voranbringen. Und gemeinsam können wir Zukunftstechnologien
entwickeln
und sie zugleich zum Wohle der Menschen und ihrer Freiheit aktiv gestalten.
Eine starke transatlantische Beziehung benötigt handlungsfähige und
handlungsbereite Partner
auf beiden Seiten des Atlantiks. Deshalb braucht es mehr europäische
Anstrengungen, um
eigene sicherheits-, verteidigungs- und wirtschaftspolitische Kapazitäten zu
entwickeln.
Antiliberale Tendenzen auf beiden Seiten des Atlantiks gefährden das
Wertefundament, auf dem
die transatlantische Partnerschaft basiert. Ihnen gilt es entschieden
entgegenzutreten.
Das bedeutet auch, dass wir die strategische Partnerschaft mit den USA
gleichzeitig
intensivieren und diversifizieren müssen. Diversifizierung heißt zum einen, die
transatlantischen Beziehungen auf ein breiteres Fundament zu stellen – durch den
Ausbau von
Partnerschaften mit Bundesstaaten, Städten, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und
Wissenschaft.
Und Diversifizierung heißt zum anderen, einseitige Abhängigkeiten zu reduzieren
– durch eine
Stärkung der eigenständigen Handlungsfähigkeit der EU.
Der gemeinsame Handels- und Technologierat (TTC) der EU und der USA ist ein
geeignetes
Forum, um gemeinsame Antworten auf globale Herausforderungen zu entwickeln.
Einer Vertiefung
der wirtschaftlichen Beziehungen mit den USA stehen wir offen gegenüber, wenn
die soziale
und ökologische Standardsetzung dabei dem Prinzip des „Race to the Top“ folgt.
China
Für uns ist China Partner, wirtschaftlicher Wettbewerber und systemischer
Rivale. Durch
Chinas zunehmend aggressives Auftreten auf der globalen Bühne tritt die
Partnerschaft jedoch
zunehmend in den Hintergrund. Wir sind besorgt über die politische Entwicklung
in China. Sie
trägt zu einer weiteren Verschärfung der Differenzen zwischen Europa und China
bei. Im
Innern handelt die chinesische Führung repressiver und autoritärer; nach außen
verfolgt sie
inzwischen offen hegemoniale Ambitionen und versucht aggressiv, den eigenen
globalen
Einfluss zu erweitern. Dazu gehört eine enge Partnerschaft mit Russland.
Deswegen setzen wir
uns für eine engere Koordination der Mitgliedstaaten und der EU als Institution
sowie für
einen strukturierten Informationsaustausch und eine engere transatlantische
Koordinierung
des Verhältnisses zu China ein.
Die EU muss ihre einseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten von China, zum
Beispiel bei
Rohstoffen und Medikamenten, deutlich schneller reduzieren und die europäische
Wirtschaft
dabei unterstützen, langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Ohne eine
ambitionierte,
eigenständige Industrie- und Investitionspolitik kann dies nicht gelingen. Dabei
ist es
zentral, dass die EU einen eigenständigen Kurs gegenüber China formuliert.
Stimmen, die
einer kompletten Entkopplung von China das Wort reden, erteilen wir dagegen eine
Absage.
China ist der größte Handelspartner der EU, aber nur unser drittgrößter
Exportmarkt. Das
Handelsdefizit wächst: Importe aus China nehmen zu, die Exporte nach China ab.
Noch gibt es
in China Abhängigkeiten von Technologien aus Europa, zudem ist der europäische
Markt für
chinesische Konzerne attraktiv. Die EU kann hier den bestehenden
Handlungsspielraum besser
und selbstbewusster nutzen, vor allem im Bereich der Transparenzpflichten
chinesischer
Konzerne bei Arbeits-, Sozial-, Umwelt-, aber auch Sicherheitsstandards. Der
Schutz
Kritischer Infrastruktur vor dem Zugriff chinesischer Investitionen muss
nachhaltig und in
der gesamten EU gewährleistet werden.
Wir unterstützen die Einführung und den Einsatz des Anti-Coercion-Instruments
der EU sowie
einen koordinierten Ansatz bei Exportrestriktionen im Bereich sensibler
Technologien. Mit
gemeinsamen Instrumenten kann sich die EU besser gegen wirtschaftliche
Erpressungsversuche
verteidigen und eine abschreckende Wirkung erzielen.
Die massiven und systematischen Menschenrechtsverletzungen gegen Uigur*innen in
der Provinz
Xinjiang, aber auch gegen Tibeter*innen, religiöse Minderheiten und
Vertreter*innen der
Zivilgesellschaft durch die chinesische Regierung müssen beendet werden. Der
Schutz der
Menschenrechte ist Grundlage europäischer Politik. Produkte aus Zwangsarbeit in
China dürfen
keinen Zugang zum europäischen Markt bekommen.
Wir halten an der Ein-China-Politik der EU fest. Gleichzeitig erkennen wir an,
dass das
Eskalationsrisiko in der Taiwan-Straße durch die Erhöhung des militärischen
Drucks der
Volksrepublik China deutlich zugenommen hat. Wir betrachten Taiwan als
demokratischen
Wertepartner und setzen uns dafür ein, den wirtschaftlichen, kulturellen und
politischen
Austausch zu intensivieren.
Bei zentralen globalen Herausforderungen wie der Schuldenkrise der
Entwicklungsländer, der
Finanzierung von wirtschaftlicher Modernisierung sowie bei Klimaschutz- und
Anpassungsmaßnahmen werden wir, wo immer dies möglich ist, mit China
zusammenarbeiten. Dies
gilt auch für den globalen Gesundheitsschutz, den Schutz der Biodiversität oder
den Schutz
der Weltmeere. In diesen und weiteren Bereichen bleiben wir auf Basis der
universellen
Erklärung der Menschenrechte und der Kernprinzipien der multilateralen Ordnung
offen für
Kooperation.
Naher Osten und Nordafrika
Der Nahe Osten und Nordafrika ist eine Region im Umbruch und ein wichtiger
Nachbar für die
EU. Die Hoffnung der Revolutionsbewegungen in der Region blieb weitestgehend
unerfüllt, und
in den vergangenen Jahren haben sich wieder autoritäre Akteure in der Region
verfestigt. Wir
wollen aber trotz der schwierigen Lage eine enge Zusammenarbeit anstreben, die
die
wirtschaftliche Entwicklung zugunsten der Menschen unterstützen soll. Ihr Wunsch
nach einem
Leben in Würde und Sicherheit und mehr politischer Teilhabe soll im Zentrum der
europäischen
Nahostpolitik stehen.
Große Potenziale liegen beim Ausbau der erneuerbaren Energien. In der
Zusammenarbeit von
kleinen und mittleren Unternehmen sehen wir dabei eine besondere Chance, um
Strukturen
jenseits der oft staatsdominierten Großunternehmen in der Region zu stärken.
In der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft muss die EU verlässliche
Partnerin sein für
all diejenigen, die frauen- und menschenrechtliche Perspektiven schaffen und
Freiheit und
Selbstbestimmung voranbringen wollen. Durch die Geschichte von Kolonialismus und
jahrzehntelanger Unterstützung autoritärer Regierungen trägt Europa hier eine
besondere
Verantwortung.
Wir wollen eine Migrationspolitik gestalten, die uns nicht von autoritären
Regimen in der
Region erpressbar macht. Eine einseitige Fokussierung auf Flüchtlingsabwehr im
Verhältnis zu
den südlichen Mittelmeeranrainern stützt autoritäre und dysfunktionale Regime,
die selbst
Fluchtgründe schaffen.
Die Existenz und die Sicherheit Israels als nationale Heimstätte des jüdischen
Volkes mit
gleichen Rechten für all seine Bürger*innen sind unverhandelbar. Für Frieden und
Sicherheit
braucht es eine Zweistaatenregelung mit der Schaffung eines souveränen,
lebensfähigen und
demokratischen Staates Palästina.
Im Iran stehen wir an der Seite der Protestbewegung, die sich für feministische
Prinzipien
und einen freiheitlichen und demokratischen Staat einsetzt. Wir treten dafür
ein, dass die
EU die Sanktionen gegen die Verantwortlichen des Regimes aufrechterhält und
erweitert. Die
iranische Revolutionsgarde muss rechtssicher als Terrororganisation gelistet
werden. Zudem
muss die EU die demokratische Opposition im Iran und in der Diaspora
unterstützen und
politisch verfolgte Iraner*innen schnell aufnehmen. Das Islamische Zentrum
Hamburg als
Koordinationspunkt der Überwachung der Diaspora in Deutschland muss endlich
geschlossen
werden. Der Iran muss sich an internationale nukleare Nicht-Verbreitungsabkommen
halten.
Der Rüstungsspirale in der Region wollen wir mit einer gemeinsam und geschlossen
auftretenden EU entgegenwirken. Wir begrüßen diplomatische Bemühungen um
Deeskalation in der
Region. Normalisierung von Beziehungen darf nicht zu Straflosigkeit führen, zum
Beispiel
angesichts der Menschheitsverbrechen des Assad-Regimes in Syrien.
Durch das jahrelange Engagement und den anschließenden schnellen Abzug
westlicher Truppen
tragen wir eine besondere Verantwortung gegenüber Afghanistan. Wir verurteilen
vor allem die
Verdrängung von Frauen aus fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens und
erkennen die
Taliban nicht als Regierung Afghanistans an. Wir setzen uns dafür ein, dass die
EU
angesichts der dramatischen Lage im Land weiterhin humanitäre Hilfe leistet und
dabei
explizit Frauen einbindet. Ortskräfte und Menschenrechts-Verteidiger*innen sind
aufgrund
ihrer Arbeit – etwa für die Bundeswehr und internationale Organisationen – oder
ihres
Einsatzes für Menschenrechte in Gefahr. Wir stehen daher für den konsequenten
Schutz und die
Aufnahme von Ortskräften und Menschenrechts-Verteidiger*innen.
Afrika
Die afrikanischen Staaten und Europa sind geografisch wie historisch eng
verbunden. Wir
wollen die vielfältigen Länder und Gesellschaften auf dem afrikanischen
Kontinent in ihren
Bemühungen unterstützen, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und gute Jobs
vor Ort zu
schaffen. Wir sehen eine wachsende Zusammenarbeit der EU mit dem afrikanischen
Kontinent in
Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft als Chance für beide
Seiten. Dabei
begreifen wir die Stärkung der Demokratie als wichtige Aufgabe.
Ein gutes Beispiel sind die europäischen Klima- und Wasserstoffpartnerschaften,
die dazu
beitragen können, die Industrie auf beiden Kontinenten klimaneutral
voranzubringen. Wir
wollen sie daher ausbauen. Dabei ist für uns klar, dass die erzeugte Energie und
damit
verbundene Wertschöpfungsketten immer zuerst den produzierenden Ländern vor Ort
und ihrer
Nachbarschaft zur Verfügung stehen müssen.
Dabei ist die geplante Zusammenarbeit im Rahmen der Global-Gateway-Initiative
ein Schritt in
Richtung weiterer wirtschaftlicher Entwicklung beider Kontinente und trägt als
attraktives
europäisches Angebot für die großen Investitionsbedarfe zur Verringerung der
Abhängigkeit
von China und Russland bei. Wir wollen die regionale Integration in den
afrikanischen
Wirtschaftsgemeinschaften und der Afrikanischen Union inklusive der entstehenden
panafrikanischen Freihandelszone unterstützen.
Gute Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit sind unverzichtbare Grundlage für
gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Dort, wo die staatlichen
Strukturen
geschwächt sind, wollen wir durch eine Unterstützung der Zivilgesellschaft und
demokratischer politischer Akteure zu einem Wiederaufbau beitragen. Eine
besondere Rolle
kommt dabei Frauen und marginalisierten Gruppen zu.
Europas Verflechtung mit Afrika ist bis heute von einem Machtungleichgewicht
gekennzeichnet.
Zudem leidet der afrikanische Kontinent bereits heute besonders stark unter den
Folgen der
Klimakrise, die in bedeutendem Maß durch europäische Emissionen verursacht
wurde. Im
Bewusstsein auch unseres kolonialen Erbes wollen wir Beziehungen gestalten, die
von Respekt
und Gleichberechtigung getragen werden.
Indopazifik
Das ökonomische Gravitationszentrum hat sich in den indopazifischen Raum
verschoben. Hier
findet ein Großteil des globalen Wachstums, der Innovation und Entwicklung
statt.
Wir wollen die enge Kooperation mit Europas zentralen Partnern wie Japan,
Südkorea,
Australien und Neuseeland ausbauen und den Austausch mit den ASEAN-Staaten
intensivieren.
Dabei wollen wir unseren Fokus auch auf mehr Zusammenarbeit bei Klimaschutz und
wirtschaftliche Modernisierung legen und gleichzeitig die Zivilgesellschaft und
die
Menschenrechte stärken. Auch die tiefe Kooperation mit Japan als engster Partner
im
indopazifischen Raum sowie einziges Mitglied der G7 in der Region wollen wir
weiter
ausbauen. Ein Beispiel hierfür ist die Digitale Partnerschaft, welche die EU im
Mai 2022 mit
Japan als erstes Partnerland überhaupt geschlossen hat.
In der Pazifikregion liegen viele Staaten, die durch die Klimakrise in ihrer
Existenz
bedroht sind, obwohl sie selbst wenig den globalen Emissionen beigetragen haben.
Wir wollen
sie im Umgang mit den Folgen der Erderwärmung und des steigenden Meeresspiegels
konkret und
finanziell unterstützen. Wir wollen den Klimaschutz stärker in
Handelsbeziehungen mit den
Staaten der gesamten Region verankern und die Produktion von grüner Energie in
der Region,
zum Beispiel durch die Global-Gateway-Initiative der EU, gemeinsam voranbringen.
Wir streben eine Vertiefung und Erweiterung der Beziehungen der EU mit Indien
an. Wir
begrüßen den Start des EU-India Trade and Technology Council im Jahr 2023 ebenso
wie die
2021 begonnene Konnektivitätspartnerschaft. Wir erkennen Indiens neue Bedeutung
für die
Bereitstellung globaler digitaler Güter an und wollen eine verstärkte
Zusammenarbeit bei
digitalen Zahlungssystemen ausloten. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit muss
sich an klaren
Sozial-, Minderheits- und Klimaschutzstandards orientieren. Mit zunehmender
Sorge betrachten
wir in dieser Hinsicht die aktuellen innenpolitischen Entwicklungen. Wir
unterstützen die
indische Zivilgesellschaft und setzen uns für eine friedliche Lösung
territorialer Konflikte
in Grenzregionen ein.
Lateinamerika
Die Länder Lateinamerikas sind nicht nur wichtige Wirtschafts-, sondern viele
auch unsere
Wertepartner. Die zahlreichen Demokratien dort sind für Europa natürliche
Partner bei der
Stärkung des Multilateralismus. Foren wie das wiederbelebte Gipfeltreffen
zwischen der EU
und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC)
ermöglichen
eine intensive Kooperation und Partnerschaft mit den Ländern des Kontinents.
Allerdings ist die liberale Demokratie in einigen Staaten nach wie vor unter
Druck, wie
beispielsweise der Sturm auf Regierungsgebäude Anfang 2023 in Brasilien gezeigt
hat.
Ereignisse wie diese verdeutlichen, dass die Demokratie gegen autokratische
Tendenzen und
Gruppierungen verteidigt werden muss. Hierfür ist eine starke Zivilgesellschaft
essenziell.
Wir wollen Aktivist*innen für Menschenrechte, Umweltschutz und für die Rechte
von LGBTIQ*,
Frauen und Indigenen schützen und ihre Arbeit aktiv unterstützen. Auch eine
effektive
Bekämpfung von Korruption und Drogenkriminalität ist wichtig.
Über 55 Prozent der weltweiten Fläche an Regenwald befinden sich in
Lateinamerika. Die
Region ist zentral zum Schutz unseres Weltklimas. Deswegen wollen wir eine
Intensivierung
von Klima- und Rohstoffpartnerschaften sowie eine Ausweitung der Kooperation für
nachhaltige
Landwirtschaft und für effektiven Naturschutz. Der Schutz der Rechte der
indigenen
Bevölkerung muss dabei bei allen Vorhaben mitgedacht und priorisiert werden.
Europa braucht enge Handelsbeziehungen mit Lateinamerika, nicht zuletzt auch, um
seine
Lieferketten mit Blick auf China zu diversifizieren. Die Global-Gateway-
Initiative der EU
kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Diese Partnerschaften können nur dann
erfolgreich
sein, wenn beide Seiten davon profitieren und ein substanzieller Teil der
Wertschöpfung in
Lateinamerika verbleibt. Wir werden das Mercosur-Abkommen nur ratifizieren, wenn
von Seiten
der Partnerländer umsetzbare, überprüfbare und rechtliche verbindliche,
einklagbare
Verpflichtungen im Bereich des Umwelt-, Sozial-, und Klimaschutzes vereinbart
werden.
Gleichzeitig kann es für uns das Mercosur-Abkommen nur gemeinsam mit einer
gleichwertigen
Zusatzvereinbarung zum Schutz und Erhalt des Regenwaldes geben. Dadurch stellen
wir sicher,
dass unsere Partnerschaft mit Lateinamerika intensiviert und gleichzeitig
Menschenrechte
garantiert und das Weltklima geschützt werden.
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